Mit dem elektronischen Personalausweis ist es wie mit dem Sex

Über die Sicherheit des neuen elektronischen Personalausweises wird so einiges geschrieben in diesen Tagen, im Augenblick mag ich da auf Details gar nicht groß eingehen.

Die Aussage allerdings, mit der der der BSI-Mensch Jens Bender auf die Kritik und Hinweise reagiert ist schon ein wenig amüsant:

„Er räumte ein, wenn ein Benutzer „den großen Fehler“ mache, den elektronischen Personalausweis länger als nötig in einem Lesegerät zu lassen, könne sich ein Angreifer im Besitz der PIN tatsächlich für ihn ausgeben, zum Beispiel bei Altersverifizierungsdiensten.“

Erinnert mich an vergleichbare Fehleinschätzungen, die ich früher recht häufig gehört habe:
„Wenn man ihn beim Sex schnell genug raus zieht, dann kann nichts passieren.“

Dass sicheres Verhüten anderes geht, hat sich inzwischen allerdings herum gesprochen.

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Google Street View und die WLAN-Daten (Update)

Nach der großen Welle rund um das Scannen der WLANs durch Googles Street View Cars hat Google gestern in einem weiteren Blogeintrag neue Details bekannt gegeben.

„In that blog post, and in a technical note sent to data protection authorities the same day, we said that while Google did collect publicly broadcast SSID information (the WiFi network name) and MAC addresses (the unique number given to a device like a WiFi router) using Street View cars, we did not collect payload data (information sent over the network). But it’s now clear that we have been mistakenly collecting samples of payload data from open (i.e. non-password-protected) WiFi networks, even though we never used that data in any Google products.“

Nun, Google gesteht also ein, Fragmente der Nutzdaten von offenen WLANS, anders als zuvor angegeben, ebenfalls gespeichert zu haben. Mit anderen Worten: Wenn Google beim Scannen der WLANs auf ein ungeschütztes und unverschlüsseltes WLAN gestoßen ist, dann liegen Teile des dabei erfassten Datenverkehrs im Klartext auf irgendwelchen Datenträgern bei Google. Das ist nun im Rahmen dieser Diskussion natürlich ziemlich blöd für Google, zugegeben. Auf das „mistakenly“ da im Zitat mag ich nicht groß eingehen, einerseits ist ein Versehen schon vorstellbar, aber ebenso kann man hier mit etwas bösem Willen Absicht unterstellen.

Klar ist: Google hat sich damit keinen Gefallen getan und natürlich ist das für Gegner ein gefundenes Fressen. Auch wenn sicherlich mit den Datenfragmenten, die angefallen sind, nicht all zu viel angefangen werden kann. Google wechselt einerseits mehrmals pro Sekunde die Kanäle („our in-car WiFi equipment automatically changes channels roughly five times a second„), andererseits ist das Fahrzeug in Bewegung und somit permanent in anderen Empfangsbereichen. Was für ein Datensalat da am Ende herauskommt, kann sich sicherlich jeder vorstellen. Trotz allem ist natürlich möglich, dass sich mancher Schnipsel persönlicher Informationen in diesem Datenwust finden lässt, die Möglichkeit einer Zuordnung solcher Datenfragmente halte ich aber dennoch für ausgeschlossen und vor allem für nutzlos.

Trotz allem will Google die Daten wieder los werden (sprich: löschen) und das Ganze sinnvollerweise unter Aufsicht. „We want to delete this data as soon as possible, and are currently reaching out to regulators in the relevant countries about how to quickly dispose of it.“ In der Zwischenzeit wurden die Fahrten der Street View Cars gestoppt, weiterhin sollen unabhängige Parteien die Software zum sammeln der Daten sowie die gesammelten Daten selbst sichten können.

Angesichts dieses kleinen „GAUs“ sind die vorgeschlagenen und begonnen Maßnahmen sicherlich das einzig sinnvolle, was Google tun kann. Und an meinen bisherigen Ausführungen zu diesem Thema ändern die neuen Erkenntnisse auch nichts. Allerdings wird Google nun damit rechnen müssen, NOCH genauer beobachtet zu werden.

Nachtrag: Heute (warum eigentlich erst heute?) finde ich einen wirklich hervorragenden Artikel dazu, wie man versehentlich WLAN-Daten mitschneiden kann. Sehr saubere und verständliche Erklärung, was technisch beim Erfassen von WLANs überhaupt passiert (bzw. passieren muss) und warum man durchaus von einem echten Versehen sprechen kann. Und ich schließe mich dem Fazit dieses Artikels an: Die Vorgehensweise Googles beim Erkennen dieses Problems ist definitiv vorbildlich. Die meisten anderen Unternehmen hätten solch einen Vorfall schlicht unter den Teppich gekehrt und die Daten stillschweigend entsorgt. Google hat das nicht getan sondern sich im Gegenteil aktiv gezeigt und sich freiwillig ins Target der Datenschützer und Medien gestellt. Was Google nun entgegen schlägt wird jedem anderen Unternehmen, dem Fehler passieren, einfach nur eins sagen: Am besten Klappe halten und still und leise aufräumen.

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Wieder große Aufregung: Google scannt WLANs!

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat wieder einmal eine Pressemitteilung veröffentlicht: Google-Street-View-Fahrten werden auch zum Scannen von WLAN-Netzen genutzt! Oh!

Aussage unter anderem:

„Nach gegenwärtigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass neben der örtlichen Erfassung, dem Verschlüsselungsstatus der Geräte, der weltweit eindeutigen MAC-Adresse auch der vom Betreiber vergebene Name (sogenannte SSID) gespeichert wurde. Bei letzterer verwenden Privatpersonen nicht selten ihre Klarnamen oder andere auf sie hinweisende Informationen. Sowohl mit Blick auf die Benutzung des eigenen Namens als auch auf die Möglichkeit, die WLAN-Netze aufgrund ihrer örtlichen Lage Bewohnern von Häusern zuzuordnen, handelt es sich um die Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten und deren Übertragung in die USA.“

Sacken lassen, kurz drüber nachdenken und – lachen.

Entschuldigung Herr Schaar, aber das, was sie da behaupten, ist einfach nicht korrekt. Aufgrund der Tatsache, dass ein WLAN-Netz im Umfeld von einigen Häusern empfangen werden kann, kann man nur eins erkennen: Dieses WLAN-Netz ist um Umfeld von einigen Häusern empfangbar. Mehr erst einmal nicht. Auf Details hierzu gehe ich weiter unten ausführlich ein.

Zudem kann ich die Behauptung, dass die Benutzung des eigenen Namens als SSID „nicht selten“ sei, aus eigener Erfahrung und Praxis nicht mal ansatzweise bestätigen. Ich habe eher festgestellt, dass dieser Umstand sogar „extrem selten“ ist. Viel wahrscheinlicher als den Namen des Besitzers als SSID eines WLANs wird man Namen wie beispielsweise „FritzBOX“ oder dergleichen antreffen.
Im übrigen muss ich sagen: Wer tatsächlich seinen Namen als SSID seines WLANs nutzt, kann an seinem Fenster direkt ein großes Transparent „Hier wohnt Peter Müller“ aufhängen. So viel dazu.

(Unter anderem) im Heise-Forum geht es nun wieder heiß her, es wird diskutiert und auf Google eingeprügelt, dass es eine wahre Pracht ist. Und dabei werden mit Unwahrheiten und technischem Halbwissen Szenarien konstruiert, dass einem schwindelig werden kann. Ich werde versuchen, aus mancherlei Geschwurbel mal die Inhalte heraus zu ziehen und die tatsächlichen Hintergründe zu erläutern.

Behauptung 1: Google kann anhand meiner SSID und der MAC-Adresse meines WLANs meinen Routern eindeutig mit den zu mir gesammelten Daten verknüpfen.

Das ist schlicht Unsinn. Was sehe ich denn, wenn ich mit einem WLAN-tauglichen Gerät mal nach verfügbaren WLANs scanne? Ich sehe die SSID, die MAC-Adresse und den Verschlüsselungsstatus. Das wars. Was kann ich mit diesen Daten nun anfangen?

Halte ich mich innerhalb des Empfangsbereiches dieses Netzes auf, kann ich versuchen, die (wahrscheinlich vorhandene) Verschlüsselung zu knacken. Dafür benötige ich aber nicht Google, dafür setze ich mich einfach irgendwo hin und lege los. Wenn ich für lau auf Kosten der WLAN-Betreiber ins Netz will, dann werde ich das an einem Ort tun, den ich bequem erreichen kann. Heutzutage gibt es sicherlich kaum einen Platz innerhalb einer Stadt, an der ich kein WLAN finden werde.

Aber kann Google diese Daten nun eindeutig einer Person zuordnen? Um es kurz zu machen: Nein.

Selbst wenn Google bereits jede Menge Daten über den Nutzer dieses WLAN-Routers gesammelt und gespeichert haben sollte, kann es diese Daten nicht mit der SSID und der MAC-Adresse eines WLAN-Routers in Verbindung bringen. Der Grund hierfür ist ganz einfach: Weder die SSID noch die MAC-Adresse des WLAN-Interfaces werden je von Google (oder jemand anderem im Netz) gesehen. Die SSID sieht noch Euer Notebook oder Handy, danach niemand mehr. Auch die MAC-Adresse des WLAN-Interfaces wird niemals an einen Anbieter eines Internetdienstes übertragen. Um das erschöpfend zu erklären, müsste ich jetzt das OSI-Modell erläutern und von Routing erzählen, wer da etwas mehr Hintergrundwissen erlangen möchte, mag einfach den Links folgen.

Wenn überhaupt eine MAC-Adresse Richtung Provider(!) übertragen wird, dann ist das die MAC-Adresse des Interfaces, welches direkt mit dem Provider verbunden ist. Beispielsweise das DSL-Interface. Spätestens beim Provider verschwindet diese Adresse aber wieder, sie wird für das Routing nicht mehr benötigt. Hier ist dann einzig Eure IP-Adresse des externen Interfaces interessant, die hat aber mit Eurem WLAN mal überhaupt nichts zu tun, eine Zuordnung ist unmöglich.
Und Google sieht von Euch: Eure IP-Adresse. Zuzüglich der Daten, die Ihr freiwillig im Internet preisgebt.

Behauptung 2: Google kann genau feststellen, wo sich mein WLAN-Router befindet und weiß dann, wo ich wohne.

Das ist gleich 2 mal Unsinn. Ich hatte eben bereits erläutert, warum Google (oder jemand anderes) ein WLAN-Netz keiner Person zuordnen kann (solange die betroffene Person nicht so selten dämlich ist, ihren Namen samt Anschrift als SSID zu verwenden).

Um aber den genauen Standort eines WLAN-Routers zu ermitteln, müsste man schon einen Schritt weiter gehen, als Google es tut. Technisch ist das ein alter Hut, das kann prinzipiell jeder mehr oder weniger genau mit ein paar Bauteilen aus dem Elektronik-Shop theoretisch problemlos tun. Aber Google tut es nicht, wie ich gleich erläutern werde.

Zur Standortermittlung eines Signals bedient man sich einer Peilung. Um möglichst verständlich zu erläutern, wie so etwas funktioniert, werde ich jetzt mal etwas „untechnisch“.

Nehmen wir an, auf einem Hügel steht ein Turm, den man aus großer Entfernung sehen kann. Um heraus zu finden, an welcher Position sich der Turm exakt befindet, gibt es 2 Möglichkeiten.
Variante 1: Ich nehme einen GPS-Empfänger, stelle mich in den Turm und sehe dann ganz genau, wo ich mich befinde und wo somit der Turm gebaut wurde.
Habe ich keine Möglichkeit, auch nur in die Nähe dieses Turms zu gelangen, bediene ich mich der Variante 2: Dazu nehme ich wieder den GPS-Empfänger in die Hand, dazu eine Karte. Nun bewege ich mich an einen Ort, von dem aus ich den Turm sehen kann. Hier schaue ich zunächst auf meinen GPS-Empfänger und sehe, wo ich mich befinde. Das zeichne ich in eine Karte mit einem Punkt ein. Nun ziele ich mit einem Kompass auf den Turm (dieses Zielen nennt man peilen) und merke mir die exakte Richtung. Diese kann ich nun als Linie, ausgehend von meinem aktuellen Standort, ebenfalls in meine Karte einzeichnen (die rote Linie in der folgenden Skizze). Wenn ich nun in die Karte schaue weiß ich: Der Turm befindet sich irgendwo auf dieser Linie.

Jetzt fahre ich einfach ein Stück um den Turm herum und wiederhole das Ganze, in der folgenden Skizze als grüne Linie dargestellt. Und nun stelle ich fest: Die beiden Linien kreuzen sich an einem bestimmten Punkt. Dieser Schnittpunkt ist der Standort des Turms. Für noch mehr Genauigkeit wiederhole ich das ein drittes Mal (blaue Linie). Dieses Verfahren nennt man übrigens auch Dreieckspeilung.

Übertragen wir das nun mal auf ein Funknetz wie beispielsweise ein WLAN, dann bedeutet das: Neben meinem aktuellen Standort muss ich zusätzlich auch noch die Richtung feststellen, aus der das Signal eintrifft. Genau das ist bei Funkwellen aber nicht ganz trivial, dafür gibt es spezielle Fahrzeuge. Die hierbei verwendete Spezialantenne ist drehbar und kann somit die Richtung, aus der das Signal am stärksten einfällt, feststellen. Damit wäre die Standortbestimmung eines WLAN-Routers/Accesspoint möglich. Nur: Das geht nicht im Vorbeifahren, hierfür muss sich das Fahrzeug eine gewisse Zeit an einem fixen Standort befinden, um genau einpeilen zu können.

Vergleichen wir nun den Peilwagen im obigen Bild mal mit einem dieser Fahrzeuge: Klick hier. Na, irgendwo eine vergleichbare Antenne zu finden? Eben, nix da.

Nun wird einfach zur Sicherheit behauptet: Braucht Google nicht, anhand der Signalstärke können die errechnen, wo sich der Sender befinden muss. Bis auf wenige Zentimeter genau. Tjaaa…ganz falsch ist das natürlich nicht. Aber eben auch nicht richtig.

Um anhand der Signalstärke an verschiedenen Orten errechnen zu können, muss man folgende Faktoren kennen: Mit welcher Leistung sendet der Sender das Signal überhaupt aus? Und wie breitet sich das Signal in der Umgebung aus?

Letzteres weiß man, wenn man sich auf einer freien Fläche befindet und irgendwo dort steht der Sender. Dann weiß man anhand der physikalischen Gesetzmäßigkeiten, wie stark das Signal in Entfernung zum Sender abnimmt. In einer Stadt ist genau das aber unmöglich zu bestimmen. Jedes Material schirmt die Signale unterschiedlich stark ab. Denkbar ist also, dass ein Signal in 2km Entfernung stärker zu empfangen ist als aus einer anderen Richtung in 100m Entfernung. Weil sich eben bei der 2. Messung ein Gebäude dazwischen befindet, welches die Signale wesentlich stärker abschirmt, als andere. Und schon sind die Messwerte nichts mehr wert.

Wir sehen also: Die Behauptungen sind wieder einmal Blödsinn. Nur, weil man irgendwo mal etwas aufgeschnappt hat, meinen nun manche, daraus ganz schlimme Szenarien konstruieren zu können. Ich denke ich habe gezeigt, dass da mehr Paranoia als Sachverstand im Spiel ist.

Wozu benötigt nun aber Google die Daten, die beim scannen der WLANs gesammelt werden?

Die Antwort ist ganz leicht: Die gesammelten Daten ermöglichen es, eine Standortbestimmung ganz ohne GPS durchzuführen.

Wenn ich an verschiedenen Punkten immer wieder überprüfe, welche WLANs mit welcher Signalstärke empfangen werden können, dann kann ich mit diesen Daten ziemlich exakt meinen eigenen Standort bestimmen, sofern exakt diese Informationen zuvor gespeichert wurden. Jeder Punkt innerhalb einer Stadt hat ein gewisses Schema, eine Art Fingerabdruck. Ich stehe beispielsweise mit dem Notebook vor meiner Haustür und stelle fest: Hier empfange ich die folgenden 8 WLAN-Netze, jedes mit einer ganz bestimmten Signalstärke. Jetzt gehe ich 50 Meter weiter und stelle fest: Es hat sich etwas geändert. Die Signalstärke der einzelnen Netze ist anders, 2 empfange ich hier nicht mehr, dafür ist ein neues hinzu gekommen. Speichere ich diese beiden Ergebnisse zusammen mit meiner aktuellen Position ab, kann ich später erkennen, wann ich mich wieder an dieser Position befinde. Ich kann also ziemlich exakt orten, wo ich mich gerade aufhalte, unabhängig davon, ob ich einen GPS-Empfänger besitze oder nicht. Ich kann allerdings nicht feststellen, wo sich die Sender befinden. Ich weiß nur, wo ich sie empfangen kann.

Dieses Verfahren ist nicht mal neu. Diverse Smartphones nutzen es bereits seit Jahren, allen voran das iPhone. Huch, Apple macht das auch? Dann kann es ja nicht schlimm sein… *hust

Schlimm finde ich an dieser Stelle, dass Peter Schaar sich nicht mal vernünftig informiert, bevor er eine solche Pressemitteilung verfasst. Mindestens seit 2008 ist bekannt, dass die Streetview Cars auch die Handy- und WLAN-Netze erfassen. Daran war nix „heimlich“, wie man nun behauptet. Und genau mit solchen Aktionen schadet Herr Schaar in meinen Augen dem Datenschutz wesentlich mehr, als er ihm nützt. Er sorgt dafür, dass Datenschützer mehr und mehr den Ruf von Paranoikern bekommen, die außer Panik verbreiten nichts können. Und das ist bitter.

Erstaunt hat mich allerdings, dass ausgerechnet der Spiegel in diesem Zusammenhang tatsächlich mal Sachverstand bewiesen hat und nicht einfach auf den Panikzug aufspringen wollte. Kreuz im Kalender.

Update: Ah, Basic Thinking springt auf den Panikzug auf und erzählt uns etwas von „unerlaubterweise„. Jungs, Jungs, Jungs… Euch hätte ich etwas mehr Recherche zugetraut. Siehe oben: Das ist seit 2008 bekannt, also alles andere als eine plötzliche Überraschung.

Noch mehr Panikmache und technischen Unsinn findet Ihr übrigens hier, hier, hier, hier und hier (für die, die drauf stehen), wesentlich mehr Augenmaß zeigen hingegen z.B. Telemedicus und zuihitsu.

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Der deutsche Schwachsinn rund um Google Analytics

Es geistert ja schon seit einigen Tagen die Meldung durchs Netz, dass die obersten Datenschutz-Aufsichtsbehörden einen Beschluss erlassen haben, nach dem Analysen der WebSite-Nutzung auf der Basis vollständiger IP-Adressen nur zulässig sind, sofern die Nutzer bewusst und eindeutig einwilligen, bevor die Daten erhoben werden. Dies wird damit begründet, dass IP-Adressen personenbezogene Daten sind.

Das ist, mit Verlaub, in dieser Form zunächst erst einmal vollkommener Schwachsinn.

IP-Adressen sind für den Betreiber einer WebSite oder eines Internet-Services NICHT personenbezogen. Der Betreiber eines solchen Dienstes kann die IP-Adresse eines Nutzers keiner Identität zuordnen. Die Möglichkeit ist praktisch nicht gegeben, es sei denn, der Nutzer hinterlässt während der Verwendung einer bestimmten IP-Adresse seine persönlichen Daten. Und selbst dann ist die Möglichkeit der Zuordnung in den meisten Fällen nur von kurzer Dauer, spätestens nach 24h werden die meisten Internetnutzer mit einer komplett neuen IP-Adresse unterwegs sein. Zudem ist eine Möglichkeit der Zuordnung auch dann nicht gegeben, wenn sich mehrere Benutzer einen Internetanschluss teilen (wie zum Beispiel in Universitäten, Internetcafes, Wohnheimen, Unternehmen etc.), da in diesem Fall all diese Nutzer mit identischer Adresse unterwegs sind. Selbst in vielen Haushalten ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, da sehr häufig mehr als eine Person den Internetanschluss nutzt. Selbst in der Rechtssprechung wurde diesem Umstand in der Vergangenheit wiederholt Rechnung getragen.

Allein die Möglichkeit, dass ich denn die Identität einer Person ermitteln könnte, wenn ich denn den dazu erforderlichen Rechtsweg beschreiten würde, macht aus einer IP-Adresse noch lange kein personenbezogenes Datum. Die Tatsache, dass irgendwo der 10.05.1970 gespeichert ist, macht dieses Datum auch noch nicht zu einem personenbezogenen Datum, auch wenn man anhand dieses Termins mit Hilfe einer anderen Datenbank nach Beschreiten des Rechtsweges meinen Geburtstag herausfinden kann. Zumindest nach meinem Verständnis.

Unsere obersten Datenschützer weisen in ihrem Beschluss vom 26.11.09 (pdf) auf folgende Bedingungen hin:

  • Personenbezogene Daten eines Nutzers dürfen ohne Einwilligung nur erhoben und verwendet werden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen. Jede darüber hinausgehende Nutzung bedarf der Einwilligung der Betroffenen.
  • Die Analyse des Nutzungsverhaltens unter Verwendung vollständiger IP-Adressen (einschließlich einer Geolokalisierung) ist aufgrund der Personenbeziehbarkeit dieser Daten daher nur mit bewusster, eindeutiger Einwilligung zulässig. Liegt eine solche Einwilligung nicht vor, ist die IP-Adresse vor jeglicher Auswertung so zu kürzen, dass eine Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen ist.
    (…)

Diese Bedingungen werden aus meiner technisch begründeten Sichtweise erfüllt, speziell der erste Punkt. Für Betreiber einer WebSite oder eines Online-Dienstes ist die IP-Adresse eben kein personenbezogenes Datum, wie ich weiter oben schon erläutert habe. Insofern ist der 2. Punkt meiner Meinung nach schon genau aus diesem Grund obsolet. Meine Meinung ist hier sicherlich nicht zwingend rechtsgültig, ich betrachte dies, wie schon angesprochen, rein technisch. Dass Gesetze und Rechtsprechung von realen Situationen und Bedingungen durchaus abweichen, ist sicher jedem bekannt.

Vollkommen anders sieht der Sachverhalt bei reinen Zugangsanbietern aus. Für diese ist die IP-Adresse ein persönliches Datum, da sie die Adresse unmittelbar einem Anschlussinhaber zuordnen können (mit den oben beschriebenen Einschränkungen). Paradox ist hier nun in meinen Augen, dass genau Zugangsanbieter die Daten erheben und speichern müssen, obwohl sie es laut Datenschützern nach dem TMG nicht dürften. Klarheit und Rechtssicherheit ist etwas anderes.

Leider habe ich einen Link „verlegt“, der in meinen Augen durchaus recht deutlich eine gewisse Unsinnigkeit dieser Diskussion dokumentierte. Wenn ich ihn wiederfinde, reiche ich ihn nach. Sinngemäß stand dort auf der Seite, dass in den Lizenzbestimmungen zu Google Analytics zwar eine Verbindung von IP-Adressen mit anderen Daten ausgeschlossen wird, aber ebenso die Möglichkeit einer Änderung dieser Bestimmungen bestünde. (hier noch dokumentiert von der Zeit)

Dieses Argument ist für mich der größte Unfug überhaupt. Wollte man diesem Argument folgen, dann könnte man rechtliche Bedenken gegen Alles und Jeden anmelden, da die Klausel, dass Änderungen möglich sind, in sämtlichen AGB enthalten sind, die ich zu Gesicht bekommen habe.

Es gibt jede Menge weitere Argumente, die deutlich zeigen, wie unsinnig dieser Vorstoß gegen die Anbieter von Analysewerkzeugen ist. Ein Beispiel wären die häufig angesprochenen Logfiles, die jeder Webhoster anlegt. Laut Datenschützern ist die Speicherung der IP-Adressen in Logfiles nicht zulässig, laut verschiedenen Gerichtsurteilen ist der Hoster jedoch dazu verpflichtet. Was ist nun korrekt? Wer hat Recht?

Spinnt man das Thema zu Ende, wird bald Schluss sein mit dem Einbetten von Youtube-Videos oder Flickr-Fotos. Da drüben wird ja getrackt, das ist evil, haben wir ja gerade gelernt. Was sonst noch auf uns zukommen könnte, will ich mir mal gar nicht ausmalen.

Ich persönlich gewinne in letzter Zeit verstärkt den Eindruck, dass die Datenschützer gern solche Dinge heran ziehen, um eine gewisse Notwendigkeit ihrer Funktion an sich unter Beweis zu stellen (wobei ich die Notwendigkeit an sich ja nicht einmal in Frage stelle). Aber mich beschleicht immer mehr der Eindruck, dass mit solchem Gepolter wie aktuell rund um die Tracking-Dienste und speziell rund um Google Analytics nur davon abgelenkt werden soll, dass an anderen Stellen wie beispielsweise beim SWIFT-Abkommen Totalversagen an der Tagesordnung ist. Wären da auch nur ansatzweise die Bestimmungen angemahnt und durchgesetzt worden, die man einem Betreiber einer popeligen Internetseite auferlegen will, hätte Deutschland gegen das Abkommen stimmen müssen. Wir wissen, dass es nur zur Stimmenthaltung reichte…

Aber zurück zu den Trackingdiensten.

Ich werde natürlich keinesfalls irgendeine Empfehlung aussprechen, jeder Betreiber eines Online-Dienstes sollte da selbst entscheiden, wie er nun reagieren wird. Ich selbst weiß es im Augenblick auch nicht und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob hier einfach nur mal wieder sehr heiß gekocht und anschließend lauwarm gegessen wird. Die Diskussion an sich zeigt mir aber, wie realitätsfremd hier von Theoretikern argumentiert wird und wie widersprüchlich die deutsche Rechtslage wieder einmal ist. Und ich muss eingestehen, dass mir solche Diskussionen mehr und mehr auf den Zeiger gehen, weil wir damit wieder einmal der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Datenschutz ist sicherlich auch in meinem Interesse, keine Frage. Welche Stilblüten das allerdings inzwischen treibt, ist ganz sicher nicht mehr normal.

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