Heißes Eisen Leistungsschutzrecht

Die Debatte um das Leistungsschutzrecht wird bereits seit längerem geführt und ich verfolge sie von Anfang an, meist nur mit halbem Ohr. Was weniger an Interesse- als an Zeitmangel liegt. Nachdem nun der offizielle Entwurf zum Leistungsschutzrecht veröffentlicht wurde und sich diverse Personen dazu geäußert haben, möchte ich auf den einen oder anderen interessanten Beitrag verweisen und ebenfalls ein paar Worte dazu verlieren.

Das Leistungsschutzrecht soll Verlagen für ein Jahr das alleinige Recht einräumen, ihre Presseerzeugnisse öffentlich zugänglich zu machen. Wer auch nur kleinste Ausschnitte aus diesen Presseerzeugnissen übernimmt, muss entweder eine Lizenzgebühr zahlen oder kann mit Abmahnungen und Schadensersatzansprüchen überzogen werden. Stoßrichtung war ursprünglich Google, den Verlegern war schlicht ein Dorn im Auge, dass Google in der Suche die Suchergebnisse mit Textschnipseln aus den Artikeln anteasert, damit Geld verdient und den armen Verlagen nichts davon abgibt sondern nur tausende Besucher auf die Online-Publikationen schickt. Weil die oftmals mit Werbung überladenen eigenen Seiten offenbar nicht genug abwerfen, wollte man von dem Kuchen der Werbeeinnahmen bei Google ein ordentliches Stück abbekommen. Mit anderen Worten: Google sollte Geld dafür zahlen, dass sie eine recht effektive Methode entwickelt haben, schnell relevante Suchergebnisse zu finden und ansprechend darzustellen und somit eine Vielzahl von Besuchern auf die Seiten der Verlage schickt.

Der aktuelle Entwurf zielt aber weniger in die Richtung Google sondern nimmt vielmehr all diejenigen aufs Korn, die online publizieren. Blogger, WebSite-Betreiber, aber auch Google+- und Facebook-Nutzer sowie Twitterer. Um nur einmal die wichtigsten Dienste zu nennen. Der Entwurf schafft gezielt neue Rechtsunsicherheit für Online-Publikationen jeglicher Art.

Das Zitatrecht ermöglichte es bislang, unter Angabe der Quelle bzw. des Urhebers Ausschnitte eben auch aus Presseerzeugnissen zu verwenden, sofern man sich an gewisse Vorgaben hielt. Befasse ich mich in einem Beitrag zum Beispiel mit einem Thema X, dann kann ich kurze Passagen aus anderen Texten übernehmen, um damit beispielsweise meine Aussagen zu belegen. Eine gute Sache eigentlich und seit Jahrzehnten etabliert.

Das geplante Leistungsschutzrecht hingegen schließt zwar zunächst reine Links sowie unter das Zitatrecht fallende Passagen von einer Lizenzpflicht aus, betont aber in einem weiteren Absatz, dass selbst kleinste Passagen auf Presseerzeugnissen bereits geschützt seien und unter das Leistungsschutzrecht fallen. Und genau hier wird gezielt eine weit offene Rechtslücke geschaffen, die sich für oben erwähnte Online-Nutzer in eine verdammt teure Falle verwandeln können. Udo Vetter schreibt dazu in seinem Blog:

Was nach dem Zitatrecht also noch möglich wäre, könnte nach dem Leistungsschutzrecht verboten sein. Diese rechtliche Grauzone ist nach meiner Überzeugung kein Missgeschick, sondern Absicht. Denn das juristische Nirgendwo liefert Blogger, Facebook-Nutzer und Twitterer an die finanzstarken Verleger aus.

Es wird nämlich genau auf dieser unsicheren Grundlage abgemahnt und mit Klagen gedroht werden. Und es wird genau das passieren, was wir schon aus dem Filesharing-Bereich kennen. Viele Betroffene ahnen zwar, dass sie nichts Unrechtes getan haben, aber sie werden es nicht auf eine rechtliche Überprüfung ankommen lassen und zahlen. Schon weil sie sich einen Prozess gar nicht leisten können.

Auch Golem hatte ein paar interessante Worte zu diesem Thema veröffentlicht, aber genau an diesem Punkt würde ich unter Umständen bereits in die Falle tappen, sollte das geplante Leistungsschutzrecht beschlossen werden. Golem gehört zur Klaß & Ihlenfeld Verlag GmbH und gehört damit zu den Erzeugnissen, die durch das Leistungsschutzrecht „geschützt“ werden sollen. Ein Zitat aus den Beiträgen oder auch nur ein Link könnte also mit ein wenig Pech in Zukunft bereits teure Folgen für mich haben. Tim Hoesmann schreibt dazu:

Wenn ich jetzt auf der Webseite meiner Kanzlei darauf aufmerksam mache, dass ich von einer Zeitung zitiert wurde, verstoße ich aber schon gegen das Leistungsschutzrecht. Auch verstoße ich gegen das Leistungsschutzrecht, wenn ich meine Aussage in der Zeitung selbst zitiere.

Wahrscheinlich werde ich auch gegen das Leistungsschutzrecht verstoßen, wenn ich über den Twitter-Account der Kanzlei oder auch über dem Facebook Auftritt mit einem Link auf den entsprechenden Artikel hinweise. Dies ist ja auch im weitesten Sinne eine gewerbliche Nutzung des Zeitungsartikels.

Selbst ein simpler Link auf Facebook, Google+ oder Twitter kann also schnell zum kostenintensiven Bumerang werden.

Dass man an Google nicht so einfach herankommen kann ist den Verlagen in letzter Zeit klar geworden. Google schließt diejenigen aus dem Index aus, die per Leistungsschutzrecht eine Beteiligung durchdrücken wollen oder schließt im Zweifelsfall deutsche Newsdienste. Da ist man bei Google recht schmerzfrei, weiß man doch, dass sich die Verlage damit ins eigene Fleisch schneiden würden. Und zwar richtig tief. Und bislang beinhaltet das Leistungsschutzrecht auch kein Recht auf Indexierung durch Suchmaschinen. Als Blogger oder schlicht Netizen hat man diesen Hebel aber nicht. Und auch keine Rechtsabteilung, geschweige denn eine ausreichend große Portokasse. Die einzig sinnvolle Maßnahme kann also nur sein: Keine Links mehr auf Presseerzeugnisse bzw. Online-Publikationen von Verlagen mehr setzen. Konsequent. Punkt.

Eine positive Folge könnte allerdings vielleicht sein, dass in Zukunft wieder viel häufiger auf alternative Informationsquellen verlinkt wird, als es in letzter Zeit der Fall war. Vielleicht klappt es sogar, dass sich selbst Blogger nun wieder mehr untereinander verlinken. Wünschenswert wäre es. Informativer als so manches Presseerzeugnis sind viele Blogeinträge oftmals ohnehin.

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EM 2012: Deutschland vs. Niederlande

Ich hätte doch tatsächlich mal tippen sollen, 2:1 war mein Tipp. Da ich aber eigentlich IMMER daneben liege, hab ich es gelassen.

Nunja, egal. Eigentlich wollte ich Euch nur das Bild präsentieren, was heute bei Facebook herum ging. Passt halt.

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Montagsmerkeleien

Angesichts der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Japan und der damit einhergehenden „nuklearen Folgen“ von Fukushima, Tokai und Onagawa hat Frau Merkel in ihrer Position als Bundeskanzlerin das Wochenende genutzt, um einmal in sich zu gehen und über die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke nachzudenken. Und überraschte uns alle gestern mit der Information: Die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke wird für 3 Monate ausgesetzt.

Wow!

Liest man sich die Informationen aus der Pressekonferenz einmal in Ruhe durch, entsteht sehr schnell ein erster Eindruck: Frau Merkel verkündet, mit aller Konsequenz und ohne Tabus in einer beispiellosen Aktion vorbehaltlos, rückhaltlos und umfassend einfach nur IRGEND ETWAS tun zu wollen. Lässt man den ganzen Text nun aber mal eine Weile in Ruhe sacken und liest ihn erneut, dann stellt man fest: Stimmt!

Frau Merkel verkündet nach einer Menge Worthülsen:

„Wir haben deshalb am Samstag veranlasst, dass im Lichte der Erkenntnisse, die wir aus Japan haben, alle deutschen Kernkraftwerke einer umfassenden Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Ich sage ganz deutlich: Es gibt bei dieser Sicherheitsprüfung keine Tabus. Genau aus diesem Grunde werden wir die erst kürzlich beschlossene Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke aussetzen. Dies ist ein Moratorium. Dieses Moratorium gilt für drei Monate. Darüber, was das für die einzelnen Kernkraftwerke bedeutet, sind wir mit den Betreibern im Gespräch.“

Die Kernaussage dieses Absatzes lautet nach meinem Verständnis: für 3 Monate ist das Gesetz zur Laufzeitverlängerung erst einmal nicht gültig, in der Zwischenzeit produzieren wir mal eine Menge Papier.

Kurz vor diesem Abschnitt sagte Frau Merkel noch:

„Richtig bleibt auch: Wir wissen, wie sicher unsere Kraftwerke in Deutschland sind.“

und wenige Sätze später noch einmal:

„Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und die bisherige unbestrittene Sicherheit unserer kerntechnischen Anlagen zum Maßstab auch des künftigen Handelns machen, ohne dass wir infolge der jüngsten Ereignisse einmal innehalten.“

Warum also müssen wir eine „Sicherheitsüberprüfung ohne Tabus“ durchführen, wenn die Sicherheit unserer Atomkraftwerke unbestritten sein soll und wir ja eigentlich bereits wissen, wie sicher sie sind? Wenn unsere Atomkraftwerke so sicher sind, dass bedenkenlos Sicherheitsstandards gesenkt werden können?
Ganz offensichtlich wird hier lediglich Aktivität simuliert.

Dass auch die nicht enden wollenden Hiobsbotschaften aus Japan noch lange kein Grund zum Umdenken sind, sagt Merkel nämlich ebenfalls:

„Ein Abschalten deutscher Kernkraftwerke unter Inkaufnahme der Verwendung von Kernenergie aus anderen Ländern aber ‑ das sage ich ebenso unmissverständlich ‑ kann und darf nicht unsere Antwort sein.“

Eine Aussage, die an Deutlichkeit kaum zu übertreffen ist: Wir KÖNNEN unsere Atomkraftwerke gar nicht abschalten, weil wir sonst Atomenergie aus anderen Ländern importieren müssten und dort keinerlei Kontrolle haben. Also hörst endlich auf zu nerven Kinder! NorGer? Ist das nicht dieses Schokoladeneis am Stiel?

Was bedeutet nun aber eigentlich dieses Moratorium für Deutschland und die deutschen Atomkraftwerke genau?

Mal sehen…

Ja, das sind die Worte von Frau Merkel, auch wenn sie es nicht in dieser Deutlichkeit ausspricht.

Konkret sagt sie auf die Frage, ob dieses Moratorium nun bedeutet, dass die Atomkraftwerke, deren Reststrommenge bereits aufgebraucht ist, nun sofort abgeschaltet werden würden:

„Das wäre die Konsequenz, denn sonst wäre es kein Moratorium des von uns neu beschlossenen Gesetzes.“

Wäre? Oder IST die Konsequenz? „Wäre ich nicht auf den Baum geklettert, dann wäre ich auch nicht herunter gefallen.“ Na, etwas bemerkt?

Das „Mal sehen…“ wird deutlicher in der Antwort auf die Zusatzfrage, ab wann mit einer Abschaltung der erwähnten Kraftwerke zu rechnen sei:

„Ich würde sagen: Wenn wir mit den Kernkraftwerksbetreibern gesprochen haben.“

Aha! Frau Bundeskanzlerin KANN gar keine Entscheidungen diesbezüglich treffen, erst einmal müssen die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke gefragt werden, ob ihnen das so auch Recht ist. Denn genau genommen weiß niemand so genau, was man tun könnte, wie Frau Merkel auf eine andere Frage antwortet:

„Wenn wir jetzt genau wüssten, was wir tun müssten, hätten wir ja nicht ein Moratorium von drei Monaten beschlossen, sondern dann hätten wir Ihnen heute bereits abschließend gesagt, was wir tun.“

Das Moratorium bedeutet also nichts anderes als: Niemand weiß, was zu tun ist. Aber wir müssen irgendetwas tun und sagen, denn bald sind Wahlen. Das Moratorium wird nichts beschleunigen oder unmittelbar ändern, es klingt nur besser.

Genau genommen hätten diese Sicherheitsanalysen auch ohne Moratorium durchgeführt werden können. Ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung schließt nicht aus, dass dennoch Sicherheitsstandards überprüft werden. Genau das ist aber die einzige Maßnahme, die wirklich zugesichert wird. Neben Gesprächen, die die Möglichkeiten auslooten sollen…

Das Moratorium ist also ein Beruhigungsdrops für all jene, die nun wieder verstärkt den Ausstieg aus der Atomenergie fordern. Es soll sagen: „Schaut doch her, wir haben doch schon mal etwas getan, wir setzen die Laufzeitverlängerung vorübergehend aus…“ Welche Konsequenzen das aber haben kann und soll kann niemand sagen. In 3 Monaten ist die Laufzeitverlängerung wieder in Kraft, aber dann interessiert es vielleicht nicht mehr so viele? Dann sind die Katastrophen in Japan schon wieder lange vorbei und die Wahlen sind auch überstanden… Es wird auf Zeit gespielt und in 3 Monaten ist bestimmt alles vergessen.

Den Beruhigungsdrops verabreicht Frau Merkel mit einigen mahnenden Worten:

„Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch ein persönliches Wort: So wichtig und unerlässlich alle Bewertungen und Maßnahmen sind, die wir in Deutschland und darüber hinaus beraten, so wichtig und unerlässlich ist es, dass wir in dieser Stunde gleichzeitig nicht den Blick für die verlieren, die in Japan nicht wissen, wie sie den Tag überstehen sollen, wie sie genügend zu essen und zu trinken bekommen sollen, wie sie vermisste Angehörige finden sollen, wie sie ein neues Zuhause für sich und ihre Familien finden sollen und wie sie den Verlust ihrer Lieben verwinden sollen. Das Leid dieser so furchtbar geprüften Menschen in Japan muss weiter im Mittelpunkt all unseres Denkens, unseres Mitfühlens und unseres Helfens stehen.“

Mit ein paar Worten weniger: Es gibt doch wirklich wichtigeres als diese Diskussion!

(Während ich mir im Laufe einiger Stunden kopfschüttelnd möglichst freundliche Formulierungen aus den Fingern gesaugt habe, ging der folgende Link bei Twitter rauf und runter: Merkel zu Fukushima. Martin Haase hat hier ebenfalls die Presseinformation von Frau Merkel zerpflückt, die Analyse möchte ich Euch auf gar keinen Fall vorenthalten.)

Nachtrag: Na hoppala, was ist denn da passiert? Jetzt wird es ja doch etwas konkreter. 7 Atomkraftwerke, die nicht mehr den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen, sollen während des Moratoriums abgeschaltet werden. Allerdings ist auch hier wieder eine wichtige Aussage mitten im Text verborgen: „Wie lange die AKW abgeschaltet bleiben, blieb offen.“ Ach ja, vorübergehend ablegen…

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Empfohlene Links vom 13.10.2010

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