Der Bundestrojaner kommt – mit Auflagen

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Klausel, die dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz heimliche Online-Durchsuchungen von PCs erlaubte, für verfassungswidrig erklärt. In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität“ informationstechnischer Systeme eingeführt.

Dieses Urteil hat nun natürlich auch Folgen auf die geplante Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten durch Herrn Schäuble. Unter dem Deckmäntelchen der Terrorabwehr sollte es möglich sein, nach Belieben PCs von Personen aus zu spähen. Wie schwammig hier die Gesetze sind, ist leider hinlänglich bekannt. Das Bundeverfassungsgericht hat nun den Einsatz eines Bundestrojaners nicht grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt, aber an hohe Auflagen gebunden. Das Ausspähen privater PCs darf nur dann auf richterlichen Beschluss hin möglich sein, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“, also Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind.

Ich werte das Urteil als Teilerfolg, sehe aber dennoch einige Risiken in diesem Urteil. Auch Hausdurchsuchungen sind bereits seit langem an hohe Auflagen gebunden, wir alle wissen jedoch, aufgrund welcher Nichtigkeiten zum Teil Hausdurchsuchungen angeordnet und durchgeführt werden. Die Grenzen für eine Online-Durchsuchung sind sicherlich wesentlich enger gesteckt, aber lassen sie durchaus zu. Im Gegensatz zu den heimlichen Wünschen einiger kann nach diesem Urteil aber der Bundestrojaner nicht genutzt werden, um Verdachtsmomente zu produzieren, sondern darf erst aufgrund tatsächlich vorhandener konkreter Verdachtsmomente überhaupt eingesetzt werden.

Sehr schön finde ich nach diesem Urteil die Reaktion Wolfgang Schäubles. Er sieht sich durch das Urteil in seinen Vorstellungen bestätigt, was sich mir nicht so ganz erschließt. Wollte er doch die Online-Durchsuchung ursprünglich zur präventiven „Verhütung“ von Terroranschlägen einsetzen, darf er sie nun nach diesem Urteil lediglich zur Bekämpfung konkreter und unmittelbarer Gefahren nutzen. Aber schön, dass er dieses für ihn bindende Urteil in seinem Gesetzesentwurf „berücksichtigen“ möchte. Danke Herr Schäuble!

Ich sehe allerdings in diesem Urteil einige weitere positive Auswirkungen, die nicht unmittelbar angesprochen wurden. Konkret wird durch dieses Urteil praktisch untersagt, dass durch technische Maßnahmen Informationen auf einem PC gesammelt und übertragen werden dürfen. Dies ist nun als neues Grundrecht fest geschrieben. Somit werden auf einen Schlag auch sämtliche Programme illegal, die Informationen über installierte Software oder vorhandene Dateien auf einem PC einsammeln und an den Hersteller übermitteln. Microsoft beispielsweise steht bei vielen seit langem unter Verdacht, Informationen über installierte Programme nach Redmond zu schicken, ebenfalls vermuten viele, Apples iTunes sendet Daten der auf der Festplatte gefundenen Musikstücke nach Hause. Aber auch Online-Spiele wie World of Warcraft durchsuchen die Festplatten der PCs. So steht beispielsweise in den Anti-Cheat-Bestimmungen zu diesem Spiel:

„Während der World of Warcraft Client (der Client) ausgeführt wird, kann der Client den Arbeitsspeicher (RAM) Ihres Computers und / oder die CPU Ihres Computers nach nichtautorisierter Drittanbietersoftware scannen, die zeitgleich mit World of Warcraft ausgeführt wird. Darüber hinaus wird der Client das Spielinstallationsverzeichnis scannen, um sicherzustellen, dass nur nicht-gehackte Originalsoftware verwendet wird.“

Einige Zeilen weiter unten findet der Leser dann noch folgenden Passus:

„Im Fall, dass der Client eine nichtautorisierte Drittanbietersoftware entdeckt, kann der Client die folgenden Informationen an Blizzard Entertainment weiterleiten :

  • Details zu der unautorisierten Drittanbietersoftware;
  • Zeitpunkt und Datum, zu dem die unautorisierte Drittanbietersoftware entdeckt wurde;
  • Ihre IP-Adresse; und
  • Identifikationsnummern von PC-Komponenten, z.B. Festplatten, Hauptprozessor und Betriebssystem.“

Nach meinem Rechtsverständnis dürften diese Klauseln sowie die Praxis, die PCs der Anwender zu durchsuchen, nun rechtswidrig sein. Auch die Praxis, die Möglichkeit der Nutzung einer Software an die Aufgabe einer nun zum Grundrecht erklärten Sebstverständlichkeit zu binden ist nach meinem Rechtsempfinden nicht mehr möglich und verstößt gegen geltendes Recht.

Inwieweit sich dieses Urteil auch auf die Praxis beispielsweise der Contentmafia, mittels spezieller Clients in P2P-Netzwerken die auf fremden PCs freigegebenen Dateien zu scannen, auswirken wird bleibt abzuwarten. Auch hier sehe ich persönlich eigentlich das Recht auf Seiten der PC-Inhaber. Wie das in Zukunft die Gerichte sehen werden ist noch offen.

Tags: , , , ,

Zum Wohle der Kinder…

Vorab ein Statement für all jene, die in meinen Artikel irgendwelche Dinge hineindeuten möchten (leider muss man so etwas explizit schreiben): Ich bin ein absoluter Gegner von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Dennoch sehe ich das, was im Rahmen von „Ermittlungen“ gegen diese Dinge getan wird durchaus kritisch, deshalb dieser Artikel.

Von der Operation „Himmel“ erfuhr ich aus dem Autoradio während meiner weihnachtlichen Fahrt zu meiner Familie. Es wurde die Ermittlungsarbeit der deutschen Polizei bejubelt, von über 12.000 Verdächtigen war die Rede, gegen die wegen Besitzes von Kinderpornographie ermittelt würde, zahlreiche Hausdurchsuchungen hätten bereits stattgefunden und umfangreiches Beweismaterial wäre sichergestellt. Auslöser dieser Aktion wäre ein Internetprovider gewesen, der aufgrund eines enormen Datenvolumens die Polizei eingeschaltet hätte. Soweit die Nachrichten, die ich am 25.12. mehrfach auf der Fahrt hörte.

Meine erste Reaktion: Meine Güte, das kann nicht wahr sein. Dann kam der 2. Gedanke langsam hoch, der in etwa folgenden Inhalt hatte: Ein Internetprovider stellt fest, dass eine Seite enorm viel Traffic erzeugt und benachrichtigt DESHALB die Polizei? Das klingt ja fast wie: Ein Telekommunikationsanbieter stellt fest, dass von einem Anschluss aus besonders viel telefoniert wird und benachrichtigt deshalb die Polizei.
Eher hat da jemand beim Provider geschnüffelt, was denn da so abgeht und hat anschließend die Polizei benachrichtigt. Was ja eigentlich nicht zulässig ist, aber im Rahmen des Kampfes gegen …etc.

Natürlich hat mich diese Nachricht weiterhin beschäftigt, auch weil ich sie von da an jede halbe Stunde zu hören bekam. Und mit jedem Mal kam mir die ganze Angelegenheit unrealistischer vor, mehr und mehr erinnerte mich die Sache an „Mikado“. Damals wurden die Transaktionen von 22 Mio. Kreditkartenbesitzern überprüft, um Personen zu finden, die möglicherweise den Zugriff auf eine WebSite mit kinderpornographischem Material erkauft haben. In etwa 380 „Verdächtige“ wurden auf diese Weise produziert, wie vielen von diesen „Verdächtigen“ tatsächlich strafbare Handlungen nachgewiesen wurden, ist meines Wissens nie bekannt geworden. Und vor diesem Hintergrund (sowie aufgrund meiner Erfahrungen zum Thema „Internet“ allgemein) erschien mir die Zahl von 12.000 Verdächtigen, gegen die ermittelt würde, als vollkommen utopisch und unrealistisch.

Und es kam, wie es kommen musste: kurz darauf änderten sich die Nachrichten ein wenig. Plötzlich wurden aus den 12.000 Verdächtigen „einige hundert“, zudem wurde geäußert, dass die meisten Zugriffe nur einmalig bzw. „wenige Sekunden lang“ waren und man in dieser Zeit unmöglich Bilder hätte herunter laden können. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die meisten Besucher eher zufällig auf die Seite gelangt wären und diese sofort wieder verlassen hätten. Und somit die Verfahren gegen diese Personen eingestellt würden. Die sensationelle Meldung entpuppt sich also wieder als Marketingmaßnahme der Ermittlungsbehörden die damit unter Beweis stellen wollen, wie toll sie doch den Kampf gegen derartige Machenschaften führen. Letztlich zeigt man auf diese Weise jedoch wieder einmal, mit wie wenig Kompetenz man dabei zu Werke geht.

Prinzipiell: Es ist sicherlich richtig und wichtig, in solchen Fällen zu ermitteln und Täter zu bestrafen. Aber statt das Unkraut heraus zu rupfen, brennt man ohne Rücksicht auf Verluste ganze Felder nieder und rühmt sich anschließend damit, eine erfolgreiche Aktion durchgeführt zu haben. Den missbrauchten Kindern hat man so jedoch nicht geholfen, die eigentlichen Täter werden schon aufgrund der Ermittlungsmethoden wie so oft nicht ermittelt, stattdessen produziert man Kollateralschäden ungeahnten Ausmaßes. Zwei solche Beispiele erwähnt aktuell Udo Vetter auf seinem Blog: Vom „Himmel“ in die Hölle und Sandra-model2.mpeg. Diese beiden Fälle zeigen deutlich, mit welchen Methoden die Ermittlungsbehörden Verdachtsmomente konstruieren, die sich letzten Endes vielfach als vollkommen unsinnig bzw. unhaltbar herausstellen. Aber zunächst in einer Pressemitteilung fantastisch klingen. Die in den beiden Fällen betroffenen Personen sind allerdings für lange Zeit stigmatisiert und zumindest Job und Familie los. Toll!

Die wirklichen Täter werden mit solchen Ermittlungsmethoden niemals dingfest gemacht, allenfalls wird es mit sehr sehr viel Glück Zufallstreffer geben, der Rest ist gewarnt. Den missbrauchten Kindern hat niemand geholfen, einzig und allein die Statistik am Jahresende sieht richtig geil aus. Wie viele Kinder allerdings aufgrund derartiger Ermittlungsmethoden in Zukunft ohne ihre Väter aufwachsen werden, das steht in keiner Statistik.

Allerdings kann man sich nun aufgrund dieser Meldungen recht einfach hochrechnen, wann man selbst aufgrund eines möglichen Fehlklicks ins Visier der Ermittler gerät. Dank Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel.

Tags: , , ,

Gerangel um die Killerspiele

Unsere Regierung hat es schon nicht leicht: Kaum dass die neue „Errungenschaft“ im „Kinderschutz“ verkündet wurde, hagelt es von alle Seiten Proteste. Dabei war man so kreativ in der Neudefinition des Begriffes „Killerspiel“. Wurden bislang noch „gewaltverherrlichende“ Spiele als Killerspiele bezeichnet, zählen nun „gewalltbeherrschte“ hinzu. Geschickter Schachzug eigentlich, Verherrlichung von Gewalt konnte man ja nun wirklich nahezu keinem Spiel nachsagen, von ein paar (längst indizierten) mal abgesehen.

Und nun kommt dieses ganze undankbare Gesocks einfach so daher und mault über dieses tolle neue Gesetz. Dabei hat man sich doch so viel Mühe gegeben und sämtliche Expertenmeinungen sowie die Stimmen Betroffener gezielt überhört. Dass es den ollen Gamern nicht recht sein würde war ja klar, die müssen ja immer meckern. Sollen doch gefälligst Tetris auf der Lanparty spielen, gibts ja auch als Netzwerk-Version. Aber nun kommt auch noch die Industrie daher und bezeichnet das tolle neue Gesetz als verfassungswidrig. Denken die denn überhaupt nicht an die armen Kinder, denen es nach einer Einführung dieses Gesetzes viel besser gehen wird? Wie kann man nur…

Aber auch aus einer anderen Richtung weht der Regierung hier der Wind ins Gesicht: Bayern gefällt die ganze Sache so auch nicht. Nein, keine Angst, Bayern denkt natürlich an die Kinder, viel mehr als unsere Regierung. Deshalb geht es den Bayern auch gegen den Strich, dass dieses Gesetz so lasch ausfallen soll. Ein Herstellungsverbot soll her, strafbewehrt! Wo kämen wir denn sonst hin, Sodom und Gomorrha… Sowas kann eine christliche Partei nicht durchgehen lassen.

Nun, liebe Regierung, was jetzt? Nachbessern? Noch einmal von vorn diskutieren? Alles neu aufrollen und erneut verhandeln? Noch einmal alles durchkauen und diese lästigen Argumente anhören?

Oder vielleicht einfach mal auf den Hintern setzen und die WIRKLICHEN Probleme anfassen? An Killerspielen ist noch kein Kind verhungert, Killerspiele sorgen nicht dafür, dass Kinder und Heranwachsende keine Perspektiven sehen und Angst vor der Zukunft haben. Und übrigens: Killerspiele sind auch nicht für den Terrorismus verantwortlich, falls dieser Einwand kommen sollte. Aber publikumswirksamer Aktionismus ist ja so viel einfacher als echte Problemlösungen. Stimmts?

Tags: ,

Zensur im Kopf

Udo Vetter hat einen hervorragenden Artikel zum Thema Vorratsdatenspeicherung und die Auswirkungen auf jeden Einzelnen geschrieben veröffentlicht. Titel: Furcht vor dem, was geschehen könnte, verfasst von Jens Ferner.

Diesen Link widme ich all jenen die noch immer meinen, nichts zu verbergen und somit nichts zu befürchten zu haben. Lest diesen Beitrag ganz aufmerksam und lasst ihn einfach mal sacken.

Tags: , , , ,