Internetblockaden gegen Kinderpornographie

„Unsere“ Regierung ist wieder einmal fleißig. Mit Energie und Enthusiasmus wird alles daran gesetzt, den nächsten Meilenstein im Kampf gegen Kinderpornographie zu erreichen: Die Einführung einer geeigneten Schnittstelle bei allen deutschen Provider zu Sperrung der Zugriffsmöglichkeiten auf Internetangebote mit Kinderpornographie. Wow, die geben sich ja richtig Mühe im Kampf gegen KiPo.

Wer in dem letzten Satz eben Ironie heraus gelesen hat, hat gut aufgepasst. KiPo wird meines Erachtens nach mehr und mehr „benutzt“, um Maßnahmen durchzusetzen, die bei kritischer Betrachtung Grundrechte einschränken. Nur – wer ist schon kritisch, wenn es gegen KiPo geht? Reflexartig ist man doch spontan für so eine Maßnahme, es ist doch für die Kinder! Das zeigen auch schön Kommentare zu derartigen Beiträgen, wie beispielsweise aktuell im Focus Online:

„Sofortige Sperrung aller Internetseiten, die auch nur einen Hauch an Kinderpornograhie kollidieren. Das überhaupt solche Internetseite die Provider unterstützen, ist schon eine Riesenschweinerei. Warum wird über dieses Thema noch diskutiert? Mir wird schon bei dem gedanken schlecht ! Alle Kinder brauchen Schutz verdammt nochmal !“

Ja, natürlich! Es ist doch für die Kinder…

Ich frage mich allerdings (und damit stehe ich nicht allein): Wie viele Kinder werden vor Missbrauch geschützt, wenn man Internetseiten sperrt, die KiPo verteilen? Hier möchte ich gern mal ein paar Zahlen sehen. Denn gerade in diesem Bereich werden uns ja gern Zahlen in großem Stil um die Ohren gehauen. Beispiele gefällig? In der Operation Mikado wurden 22 Mio. Kreditkartenkonten auf verdächtige Zahlungen hin überprüft. Beispiellos bislang. Beispiellos auch der Erfolg dieser Aktion: 322 Beschuldigte will man ermittelt haben (Quelle: BKA). Beschuldigte wohlgemerkt – gleichzusetzen mit „Verdächtige“. Von Verurteilten keine Rede. Oder Operation Himmel, geschickt zur Weihnachszeit in den Medien platziert. 12.000 Verdächtige ermittelt, ein Schlag gegen KiPo. Das BKA gibt nach wie vor nur diese Zahl an (Pressemitteilung vom August 2008), obwohl bereits Ende 2007 feststand, dass die meisten Verdächtigungen haltlos waren und noch nicht einmal weitere Ermittlungen nach sich ziehen würden. Von wirklichen Verurteilungen hört/liest man hingegen kaum etwas. Könnte es also sein, dass möglicherweise eventuell vielleicht KiPo gar nicht so weit verbreitet ist, wie uns medienwirksame Verlautbarungen glauben lassen wollen?

Große Zahlen sorgen für ein großes Echo. In den Medien zumindest. Und fragt man mal herum, was davon so hängen geblieben ist, dann wird man eins feststellen: Fast jeder erinnert sich daran, dass tausende Internetnutzer ermittelt wurden, die sich KiPo beschaffen. Wieviele am Ende tatsächlich überführt und verurteilt wurden, weiß nahezu niemand. Dass die meisten Verdachtsfälle bereits verworfen wurden, bevor überhaupt weitere Ermittlungen vorgenommen wurden ebenso wenig. In den Köpfen steht nur die Zahl: 12.000.

Mit solchen Meldungen wird natürlich sensibilisiert. „KiPo – schlimm, böse, extrem weit verbreitet. Wir müssen etwas dagegen tun, oh ja meine Regierung, Sperrungen von Internetseiten, wichtig, richtig. Ihr wisst was gut für uns ist…“ Manipulation in großem Stil wenn ihr mich fragt. Mit nur einem Ziel: Einen Filter bei allen Internetprovidern platzieren, der auf Zuruf hin das Blockieren unliebsamer Inhalte ermöglichen soll. Dagegen kann ja niemand sein, es geht ja gegen die Kinderpornos, es ist ja zum Schutz der Kinder… Schon widerlich, wie dieses Thema ausgeschlachtet wird, um äußerst fragwürdige Maßnahmen umzusetzen.

Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen will ich an dieser Stelle mal gar nicht betrachten. Einzig und allein auf Ungereimtheiten hinweisen und Parallelen aufzeigen. Für die Vorratsdatenspeicherung musste die Terrorgefahr herhalten. Wofür die Daten nun herhalten sollen, ist jedem bekannt: Auch zur Aufdeckung von Straftaten, die mit Hilfe dieser Kommunikationsmittel begangen wurden, sollen die Daten verwendet werden. Ahja… was fällt da wohl alles darunter? Und exakt das gleiche wiederholt sich schon wieder: KiPo wird vorgeschoben, gesperrt wird am Ende etwas vollkommen anderes. Siehe Finnland. Von 1047 gesperrten WebSites fallen gerade mal 37 mehr oder weniger in die Kategorie KiPo.

Noch Fragen?

Update: Heut morgen schreib ich noch darüber und schon ist es passiert: Wir bekommen unseren Filter.

Hat die Polizei ein Kinderporno-Angebot im Internet identifiziert, wird es nach dem norwegischen Modell den Anbietern zur Blockade gemeldet. Klickt der Nutzer dann eine entsprechende Seite an, erscheint auf seinem Bildschirm automatisch ein rotes Stopp-Schild. Ludvigsen: „Wir erheben nicht den Zeigefinger, sondern machen nur darauf aufmerksam, dass hier der Zugang zu einer Seite mit verbotener Kinderpornografie gesucht wird.“ Oft gebe es auch „irrtümliche Einwahlversuche“. Zwischen 15.000 und 18.000 mal am Tag erscheine heute auf norwegischen PC-Bildschirmen diese Stopp-Seite. Die Nutzer würden nur gezählt, nicht namentlich erfasst.

Natürlich nicht, ist ja auch unnötig. Dafür haben wir ja die Vorratsdatenspeicherung. Wer auf der Sperrseite gelandet ist, wird dort ersichtlich. So kann man dann schön zentral mit ein paar Abfragen die Kandidaten für die nächste Operation „Hölle“ (oder wie sie auch immer heißen wird) aussortieren. Und ich verspreche Euch an dieser Stelle, dass es nicht bei KiPo bleiben wird. Wie hab ich die Tage noch an anderer Stelle gelesen? „Um einen Fuß in die Tür zu bekommen, muss man nur genügend Scheiße dran haben, damit ihn keiner anfasst.“ Wohl wahr. KiPo war der Türöffner, gefiltert werden am Ende ganz andere Dinge. Bei ChillingEffects kann man ja durchaus schon seit längerem deutsche Zensurbemühungen nachvollziehen. Wird in Zukunft in dieser Form nicht mehr nötig sein.

Ich geh dann mal kotzen.

Nachtrag: Thomas Knüwer hat ebenfalls einen lesenswerten Beitrag zum Thema geschrieben. Hier entlang bitte.

Nachtrag 2: Auch Netzwertig beschäftigt sich mit der Thematik und liefert ebenfalls einen ausführlichen Kommentar ab.

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