Die Gefahren der geplanten Internetsperren

Morgen ist es soweit: Im Bundestag soll über das Gesetz zur Netzzensur entschieden werden. Anlass für mich, noch einmal laut über die Gefahren eines solchen Gesetzes nachzudenken.

Über die von dieser und folgenden Regierungen möglicherweise ausgehenden Gefahren wurde an vielen Stellen geschrieben, diskutiert und gestritten. Die möchte ich bei dieser Betrachtung ausnahmsweise außen vor lassen. Versucht deshalb mal bitte, Euch einfach für einige Minuten einzureden: Ja, diese und folgende Regierungen werden die Internetsperren ausschließlich gegen Kinderpornographie einsetzen. Ich weiß, es fällt schwer, sich so etwas vorzustellen, aber versucht es bitte.

Und nun schauen wir uns einmal an, was nun passieren wird (ich schreibe bewusst nicht „könnte“, sondern „wird“):

Wir werden in nächster Zeit verstärkt Klagen beobachten können, die sich gegen die Provider richten und diese zwingen sollen, den Zugriff auf bestimmte Inhalte im Netz zu unterbinden. Inhalte, die irgendwem aus irgendeinem Grund ein Dorn im Auge sind. Seien es die gern heran gezogenen Urheberrechtsverletzungen, Glücksspiele, aber ganz sicher auch Seiten wie Youporn.com. Gerade bei letztgenannter haben wir das ja bereits erlebt, Arcor musste zeitweise den Zugriff sperren.

OK, bei den hier genannten Kategorien mögen einige sagen: Was geht es mich an? Ich verzocke mein Geld nicht bei Glücksspielen und Pr0n schau ich mir auch nicht an (wer tut das schon?!). Aber das ist eben nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen befinden sich dann Seiten wie beispielsweise Wikipedia. Was, wenn wieder irgendwem nicht gefällt, was dort über ihn/sie geschrieben steht? Einstweilige Verfügung raus an die Provider, fertig. Sperre wird eingerichtet. So einfach wird das in Zukunft sein.

Wie ich darauf komme? Nun, erst vor wenigen Wochen noch entschied zum Beispiel das Hamburger Landgericht, einem Provider wäre die Blockierung eines bestimmten Internetangebotes wirtschaftlich nicht zumutbar und lehnte diese demzufolge ab, zudem sei die DNS-Sperrtechnik nur „beschränkt geeignet“.
Sollte das Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Angebote morgen allerdings wie befürchtet durchgewunken werden, dann entfallen exakt die Gründe, die in diesem Urteil zu dieser Entscheidung geführt haben. Zumutbarkeit wird nicht mehr hinterfragt, Wirksamkeit ebenso wenig. Die Technik ist da und die Technik ist wirksam genug, um Gesetzen Genüge zu tun. Also muß sie entsprechend genutzt werden.

Von einer Zweckbindung der durch die Provider einzurichtenden Infrastruktur ist nirgends etwas zu lesen. Die Beschränkung auf Kinderpornographie ist nichts anderes als eine „freiwillige (temporäre) Selbstbeschränkung“ der Regierung. Von einer Verpflichtung der Provider, die einzurichtende Zensurtechnik allein und ausschließlich dafür verwenden zu dürfen, ist an keiner Stelle die Rede.

Und damit ist exakt das erreicht, wofür diverse Lobbyverbände seit Jahren bestechen kämpfen: Die Einführung einer Infrastruktur, mit der sich schnell und unkompliziert unliebsame Inhalte das dem Netz entfernen lassen.

Summieren wir das hier nun von mir beschriebene Szenario mit den bereits bekannten Szenarien, wie von dieser oder kommender Regierungen das Gesetz nach Belieben umformuliert und ausgeweitet werden kann, dann sollte auch dem letzten „Hurra“-Schreier klar werden, weshalb es sich eben doch um Maßnahmen zur Einrichtung einer Zensur-Infrastruktur handelt. Und weshalb man weiterhin so wie bisher und noch viel mehr darum kämpfen muß, dass derartige Systeme nicht nur nicht per Gesetz gefordert sein dürfen, sondern strikt verboten sein müssen.

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