Förderung (hoch)begabter Kinder
Dieser Beitrag hier ist bislang der erste Beitrag, mit dem ich mich so richtig schwer getan habe. Zum einen weil ich lange überlegt habe, ob ich ihn überhaupt schreiben soll und zum anderen fiel mir der Einstieg in den Beitrag verdammt schwer. Wie beginnt man so einen Beitrag? Wie schreibt man über ein möglicherweise hochbegabtes Kind, ohne sofort belächelt zu werden und ein klein wenig übertrieben ehrgeizig zu wirken?
Bevor ich jedoch wirklich beginne sei mir noch ein einleitender Hinweis gestattet: Ich gehöre ganz sicher nicht zu der Kategorie Väter (bzw. Eltern im Allgemeinen), die ihre Kinder als etwas ganz besonderes, einzigartiges oder herausragendes darstellen wollen. Oder die aus übertriebenem persönlichem Ehrgeiz heraus ihre Kinder zu etwas machen wollen, was ihnen selbst verwehrt geblieben ist. Ich würde mich selbst als „ganz normalen“, aber besorgten Vater bezeichnen. Aber nun genug der einleitenden Worte.
Mein Sohn ist (noch) 7 Jahre alt, geht zur Schule und besucht inzwischen die 2. Klasse. Im Kindergarten fiel er in erster Linie dadurch auf, dass er sehr wissbegierig ist, sich außergewöhnlich gut ausdrücken kann, sehr sozial seinen Kameraden gegenüber eingestellt ist und eben im Großen und Ganzen ein wirklich aufgewecktes kleines Kerlchen ist. Manchmal bleibt einem echt die
Spucke weg wenn man hört, welche Kombinationen er anstellt, wie logisch er die unterschiedlichsten Sachverhalte erkennen kann und erklärt. Einfach so…
Ein gutes Beispiel dafür ist: Beim Spazieren gehen mit dem Roller beobachtete er das Vorderrad seines Rollers, schaute wie viel Zeit es für eine Umdrehung benötigte und begann dann zu rechnen, wie viele Umdrehungen das Rad in einer Minute schafft.
Zur Erinnerung: er ist 7.
Für mich war das irgendwie nichts wirklich besonderes. Ich habe das, sofern es mir möglich war (mein Sohn wächst bei seiner Mutter auf und ist nur an den Wochenenden bei mir), eben registriert und für ihn als „normal“ angesehen. Die Interessen waren eben ähnlich, wie ich sie als Kind hatte, ich war auch neugierig und wollte alles wissen etc… Ich fand es Klasse, dass er da „nach mir“ kommt und hab ihm nach Möglichkeit alle Fragen beantwortet, die er stellt.
Nun wurde er irgendwann eingeschult und damit begann das „Übel“. Kurze Zeit nach der Einschulung gab es die ersten Elterngespräche und ich war, gelinde gesagt, schockiert.
Die Lehrerin meinte, sie hätte noch nie ein so unmögliches Kind gesehen, der Junge käme überhaupt nicht mit, macht seine Aufgaben nicht, stört im Unterricht etc. etc. etc.
Schluck!
„Sie verwechselt da gerade mein Kind mit einem anderen!“ – das war mein erster Gedanke.
Nein, tat sie nicht. Ihrer Ansicht nach verhält es sich tatsächlich so. Und der erste Vorschlag, wie man dies „beheben“ könne: Ergotherapie. Das Kind wäre motorisch nicht weit genug entwickelt. Wie bitte? Auch dies wurde unter anderem im Kindergarten immer so bewundert und gelobt, seine motorischen Fähigkeiten… „Sie verwechselt ja doch mein Kind…!“
Tat sie immer noch nicht. Und in vielen Situationen kann ich es selbst nachvollziehen, was sie meint. Ein Beispiel: Hausaufgaben. Er sitzt Stunden(!) an seinen Hausaufgaben, ohne vorwärts zu kommen. Er langweilt sich zu Tode, wird aber auch einfach nicht fertig.
Vor 2 Wochen habe ich es wieder miterlebt. Hab mich dann vollkommen gelassen neben ihn gestellt und gefragt, was er denn da für Hausaufgaben zu erledigen hätte. Er zeigte mir ein paar Matheaufgaben im Buch und ich sagte dann zu ihm: „Oh, das sieht aber echt kompliziert aus, so schwere Aufgaben müsst ihr rechnen?“.
Seine Antwort: „Ach Quatsch Papa, das ist total einfach, guck mal, hier kommt das raus, da das und dort das…“.
Er hatte jetzt „mal eben“ die 3 Aufgaben ausgerechnet und dafür in etwa so lange benötigt, wie ihr, um diese Aussage zu lesen. Folge für mich (einmal mehr): Er hat es drauf, er schüttelt das tatsächlich so aus dem Ärmel. Aber: Er tut es einfach nicht, wenn es darauf ankommt! Man kann machen was man will… spätestens nach einer Woche ist wieder vergessen und er sitzt (in der Schule und auch zu Hause) wieder vollkommen gelangweilt vor seinen Aufgaben und kommt einfach nicht vorwärts. Es ist zum heulen…
In der Schule ist man nun der Auffassung, der Junge benötigt einen Ausgleich und müsse seine motorischen Fähigkeiten trainieren, deshalb bekam er Sportförderunterricht. Er geht zwar bereits zum Fußball, aber das interessiert dort nicht. Auch nicht die Tatsache, dass der Förderunterricht und das Training am gleichen Tag stattfinden. Nunja…
Vor ein paar Monaten hat seine Mutter nun einfach mal beim Arzt nachgefragt, was man denn nun tun könne, ob Ergotherapie möglich/sinnvoll wäre. Der Arzt schaute sie entgeistert an (er kennt meinen Sohn von Geburt an) und fragte, was das denn bitteschön bringen soll. Sie erklärt ihm den ganzen Sachverhalt und daraufhin meinte er, seine Vermutungen gingen in eine ganz andere Richtung. Und sie solle doch mit meinem Sohn mal zu einem Test kommen, Termin wurde vereinbart.
Der Test wurde dann also von meinem Sohn absolviert, die Testergebnisse wurden irgendwohin eingeschickt und ein paar Wochen später kam eine Auswertung zurück. Ergebnis: Mein Sohn ist überdurchschnittlich intelligent und laut diesem Test mindestens an der Grenze zu „hochbegabt“ einzuordnen. Für den Arzt passt das Ergebnis wie die Faust aufs Auge zu den „Symptomen“, mit denen seine Mutter und ich seit der Einschulung konfrontiert sind. Und vor allem und in erster Linie mein Sohn.
Was macht man nun mit so einer Aussage? Wie eingangs schon beschrieben ist der erste Gedanke:
„Die halten mich doch für völlig durchgeknallt, wenn ich das in der Schule erzähle.“
Der zweite Gedanke: „Völlig egal, das ist deren Job, das muss geklärt werden.“
Wurde es dann auch. Die Lehrerin reagierte fast so wie erwartet: Interessiert tun, aber irgendwie komisch schauen. Vorschläge und Ideen wurden ausgetauscht, eine war, dass er statt zum Sportförderunterricht zu gehen, Matheförderunterricht bekommt, weil er ja nun wirklich jeden Kram ausrechnen will und gerade die logischen Dinge ihm liegen und er Mathe echt gern macht (seine eigene Aussage!)…
„Werden das mal prüfen…“ war sinngemäß die Reaktion der Schule. Und das Ergebnis war wie befürchtet: Er ist wieder in den Sportförderunterricht gesteckt worden. Mathe sei nichts für ihn. Seine Leistungen sind nicht entsprechend.
Verdammt, was kann man denn nun in so einer Situation machen? Dass man mit so etwas nicht wirklich ernst genommen wird, war mir schon so gut wie klar, als ich das Ergebnis des Tests hörte. Dem Thema Hochbegabung haftet ja immer so ein wenig ein eigenartiger Ruf an. In den meisten Fällen sicherlich aus Unwissenheit bzw. Fehleinschätzung. Aber was können Eltern nun tun, um dem eigenen Kind zu helfen? Ich merke ja, wie unwohl er sich in der Schule fühlt. Es langweilt ihn, er stört und macht sich zum Clown und kassiert dafür dann wieder Ärger und Stress. Er bleibt mit seinen Leistungen weit unter dem, was er nachweislich drauf hat – weil er einfach nicht zeigt, dass er es drauf hat.
Im Kindergarten hat man das m.E. absolut korrekt eingeschätzt und ihn immer besonders gefördert bzw. herausgefordert, er war sowas von ausgeglichen und mit einer Begeisterung bei den meisten Dingen dabei. In der Schule geht das nicht. Da kommt eine Lehrerin auf 25 Kinder und sie muss ihren Stoff durchziehen. Mein Sohn scheint mir da im Augenblick auf der Strecke zu bleiben, zumindest ist das mein Eindruck.
Aber was tun? Mit der Schule reden bringt nun scheinbar nicht viel. Man wird nicht ernst genommen. Das ist leider so. Aber was bleibt denn nun? Welche Möglichkeiten gibt es, seine Hoch- oder Nicht-Begabung eindeutig festzustellen, ohne dann an irgendeinen obskuren Psychologen zu geraten? Welche Möglichkeiten hat man, ihm im Bedarfsfall die richtige Förderung zukommen zu lassen, damit er sich nicht mehr so gehen lässt und wieder mit der Begeisterung dabei ist, die ihm eigentlich zu eigen ist?
Ich habe schon einiges zu diesem Thema in der Zwischenzeit gelesen. Die Frage für mich ist nun eben: Was von diesen Tonnen an Material ist wirklich seriös und was ist absoluter Unsinn? Wissenschaftlich klingt irgendwie alles, das ist kein Qualitätsmerkmal. An wen kann man sich wenden? Nahezu 60-75% dessen, was als „typisch“ für Hochbegabung angesehen wird, erkenne ich absolut wieder, auch ohne voreingenommen zu sein. Ich stehe dem durchaus kritisch gegenüber, das ist Fakt.
Aber für mich ist die wichtigste Frage nun überhaupt: Wie helfe ich jetzt meinem Sohn?