Höchste Zeit für Nachhilfe (Update)

Wir schreiben den 29.3.2010 und ich werde gerade den Eindruck nicht los, dass man beim ZDF die vergangenen Monate schlichtweg verschlafen hat. Anders kann ich mir zumindest den Blogeintrag „Höchste Zeit für Netzsperren gegen Kinderpornos“ nicht erklären.

Als hätte es die Zensursula-Diskussion niemals stattgefunden, als hätte es die Petition gegen Netzsperren nicht gegeben, beginnt der Blogeintrag mit den Sätzen:

„Nach bereits zwei Klicks kann man im Internet Kinderpornos anschauen. Es wird  höchste Zeit, etwas dagegen zu tun. Die EU-Kommission will nun endlich kinderpornografische Seiten im Internet sperren lassen. EU Innenkommissarin Cecila Malmström legte jetzt in Brüssel einen Richtlinienentwurf zum Kinderschutz vor. Passiert dieser Entwurf auch Rat und Europaparlament wird dem Kindesmissbrauch EU-weit endlich der Kampf angesagt.“

Es ist schon hammerhart, wie die Autorin Patricia Wiedemeyer hier die Diskussion der letzten Monate offenbar vollkommen ausblendet. Was ich in diesem Beitrag lesen muss, wirkt auf mich wie Propaganda, die gezielt den Nährboden für kommendes bereiten soll.

Dass der Kampf gegen Netzsperren noch nicht beendet ist, war klar. Ebenso, dass auf EU-Ebene nun der nächste Vorstoß erfolgen würde, nachdem die Sperren hierzulande nicht so einfach durch gewunken werden konnten, wie Zensursula und Co. sich das im Vorfeld ausgemalt hatten. Hat ja schon bei anderen Themen so schön geklappt, siehe Vorratsdatenspeicherung. Im Inland gescheitert, also über die EU durchgesetzt und anschließend schulterzuckend bedauert: Wir müssen ja, geht nicht anders. (Mehr Details dazu z.B. hier, hier oder hier)

Im Beitrag heißt es weiter:

„Wir haben lange genug gewartet. Auch Deutschland konnte sich bei dem „Kinderpornografie-Gesetz“, das letztes Jahr verabschiedet wurde, nicht auf konkrete weitgehende Maßnahmen gegen Pädophilie und Kinderpornografie im Netz durchringen, hatte die Internetsperren sogar abgelehnt. Das ist ein Skandal.“

Falsch! Ein Skandal ist lediglich, dass auch dieser Beitrag wieder einmal schlichtweg unterschlägt, dass es längst wirksame und effektive Gesetze und Mittel gibt, um gegen Kinderpornographie im Netz vorzugehen. Ein Skandal ist ebenfalls, dass diese Mittel offenbar schlichtweg nicht genutzt und schlecht geredet werden, um dem eigentlichen Ziel, der Schaffung von Zensur-Infrastrukturen, näher zu kommen.

Dass ein eigentlich neutrales Medium wie das ZDF aber nun auf so unterirdisch primitive Art und Weise Schützenhilfe leistet, indem die gleichen billigen Lügen erzählt werden, die schon Zensursula niemand abkaufen konnte, der auch nur ansatzweise etwas von Internet versteht, ist wirklich heftig. Von der Zeitung mit den 4 großen Buchstaben erwarte ich nichts anderes, vom ZDF hingegen erwarte ich allerdings Neutralität und vor allem Objektivität. Und nicht billige Polemik aus der untersten Schublade a la:

„Die deutsche Lösung, das Löschen von Internetseiten, ist weltweit nicht durchsetzbar, weil  die USA oder Russland da nicht mitmachen würden. Gerade von russischen Providern kommen aber viele kinderpornografische Seiten.“

Wie oft müssen dieses Schauermärchen eigentlich noch widerlegt werden, damit es auch beim ZDF ankommt? Wie kann man auf die selten dämliche Idee kommen, Russland oder auch der USA unterstellen zu wollen, die Löschung von Kinderpornografie nicht zu unterstützen oder gar zu verhindern? Sind all die Argumente der letzten Wochen und Monate einfach so verpufft, hat da überhaupt mal jemand zugehört? Und überhaupt, kann mal bitte jemand der Frau Wiedemeyer erklären, dass man mit 2 Mausklicks lediglich Bookmarks aufruft, wie es Josh K. Phisher bereits so schön feststellte?!

Ja, der Beitrag des ZDF ist Propaganda und nichts weiter. Und ich hoffe, dass auf genau diesen Umstand noch ein paar Leute mehr hinweisen.

Update: Auch andere Vertreter der öffentlich-rechtlichen mischen fleißig  mit, um dem neuerlichen Vorstoß Richtung Zensurinfrastruktur ein wenig anzuschieben. Der Katrin Brand vom WDR wirkt in ihrem Audiokommentar zwar nicht ganz so marktschreierisch, was den Inhalt allerdings nicht weniger gefährlich macht. Scheinbar sachlich und unaufgeregt erzählt sie inhaltlich letztlich das Gleiche. Lediglich nicht ganz so platt, was es letzen Endes wahrscheinlich sogar etwas gefährlicher macht.

Die ZDFheute-Redaktion hat sich übrigens, nachdem sich verständlicherweise im Blogeintrag von Patricia Wiedemeyer eine für ZDF-Verhältnisse übermäßig große Zahl von Kommentatoren zu Wort gemeldet haben, mit einem kurzen Statement wie folgt in die „Diskussion eingeklinkt“:

„Liebe Blogger

Mario Sixtus, der Elektrische Reporter, wird in diesem Blog eine Erwiderung zum Thema schreiben.

Die ZDFheute Redaktion“

An dieser Stelle macht die Redaktion deutlich, was sie von den kritischen Kommentaren hält. Es sind ja wieder „nur“ die Blogger, die hier aufgeregt kommentieren, das hatten wir ja schon das eine oder andere Mal. Auf die Idee, dass hier einfach nur „Bürger“ ihren Unmut zum Ausdruck bringen, kommt man überhaupt nicht. Blogger werden vor geschoben, die ja zu allem und jedem immer ihre Klappe aufreißen und aufgeregt vor sich hin plappern. Außerdem soll Mario Sixtus nun die Wogen wieder glätten. Warum eigentlich nicht Frau Wiedemeyer? Warum stellt sie sich nicht der Diskussion, die sie selbst angestoßen hat? Hat sie ihren politischen Auftrag erfüllt und zieht sich nun wieder lautlos zurück, oder wie ist das zu verstehen?

Kommentare werden im Blog des ZDF inzwischen offenbar nicht mehr frei geschaltet. Trackbacks funktionieren ohnehin schon die ganze Zeit nicht.

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