eBay und die Anwälte

Wer selbst Kinder hat kennt das: Die Kleinen wachsen in nullkommanix aus den Klamotten heraus. Innerhalb kürzester Zeit sind die „letztens erst“ gekauften Teile zu klein und damit unbrauchbar. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, wieder Platz im Schrank zu schaffen: Man kann die Kleidungsstücke in den Altkleidercontainer stopfen, in den Müll werfen, Freunden geben, auf dem Trödelmarkt verscherbeln – oder aber bei eBay einstellen. Unter Umständen kann man sich auf diese Weise einen guten Teil des Geldes zurückholen, was man für die Kindersachen auf die Ladentheke legen durfte.

Allerdings sollte man darauf achten, dass man nicht zu viele der gebrauchten Teile bei eBay anbietet. Denn dies könnte dazu führen, dass es einem Anwalt auffällt, der unter Langeweile oder einer schlechten Auftragslage leidet.

Wer zu viele Teile anbietet, kann sehr schnell als gewerblich tätiger Verkäufer eingestuft werden. Und sich mit einer Abmahnung konfrontiert sehen, die von einem dieser netten Anwälte verfasst wurde. Denn: als Privatperson ist man nicht verpflichtet, potentielle Käufer auf ihr Widerrufsrecht aufmerksam zu machen. Als Gewerbetreibender muss man dies jedoch in der gebotenen Form tun. Und wenn die Menge der verkauften Artikel ein gewisses Maß überschreitet, gilt der Verkauf offenbar als gewerblicher Handel. Auch bei gebrauchten Gegenständen, wie es scheint.

So ist es zumindest einer vierfachen Mutter ergangen, die eine ganze Menge gebrauchter Kleidungsstücke ihrer 4 Kinder bei eBay versteigert hat. Ein Anwalt hatte dies entdeckt und die Frau abgemahnt, weil sie seiner Meinung nach ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, auf das Widerrufsrecht hinzuweisen. Die Frau versuchte sich dagegen zur Wehr zu setzen, wurde nun jedoch vom Landgericht Berlin zur Zahlung der Abmahnkosten verdonnert.

Das ist mal wieder das Richtige für mich! Wie kann man denn bitteschön solch ein Urteil fällen? Nur weil man seine gebrauchten Sachen verscherbelt, wird man zum Gewerbetreibenden? Was soll das denn bitte??? Wo liegen die Grenzen, wieviele Teile darf ich in welchem Zeitraum verkaufen, damit es ein Privatverkauf bleibt? Was ist, wenn ich diese Grenzen überschreite? Bekomme ich dann (neben diesen Auflagen bezüglich des Widerrufsrechts) automatisch das Zwangsabo der tollen IHK-Zeitschrift? Muss ich dann auch Gewerbesteuer zahlen? Bin ich dann auch zum Vorsteuerabzug berechtigt?

Im übrigen sollte man es auch besser unterlassen, gebrauchte Markenbekleidung vie eBay wieder abzustoßen wenn man keine Lizenz zum Verkauf dieser Marke besitzt. Denn auch das kann abgemahnt werden.

Es ist erschreckend: Gesetze und Regelungen, die zum Schutz der Verbraucher erlassen wurden, werden von irgendwelchen windigen Anwälten schamlos ausgenutzt, um die Büromiete zu finanzieren. Die Unwissenheit der Menschen wird von dahergelaufenen Winkeladvokaten gezielt gegen sie eingesetzt und das ganze mit Billigung und Zustimmung der Gerichte. Wie widerlich ist denn sowas bitte?

Natürlich schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Und natürlich müssen Grenzen gesetzt und auch eingehalten werden. Aber ist man tatsächlich in der Pflicht, sich gerade in derart speziellen Situationen selbst zu informieren? Oder hat da nicht jemand ganz anderes eine Informationspflicht? Muss man in Zukunft wirklich vor jeder Kleinigkeit, die man zu tun gedenkt, einen Anwalt konsultieren?

Ich wundere mich wirklich nicht mehr, dass der Standort Deutschland den Bach runter geht. Bei so viel Rechtsunsicherheit ist das ehrlich kein Wunder mehr.

via Handelsblatt

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