Zum Wohle der Kinder…

Vorab ein Statement für all jene, die in meinen Artikel irgendwelche Dinge hineindeuten möchten (leider muss man so etwas explizit schreiben): Ich bin ein absoluter Gegner von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Dennoch sehe ich das, was im Rahmen von „Ermittlungen“ gegen diese Dinge getan wird durchaus kritisch, deshalb dieser Artikel.

Von der Operation „Himmel“ erfuhr ich aus dem Autoradio während meiner weihnachtlichen Fahrt zu meiner Familie. Es wurde die Ermittlungsarbeit der deutschen Polizei bejubelt, von über 12.000 Verdächtigen war die Rede, gegen die wegen Besitzes von Kinderpornographie ermittelt würde, zahlreiche Hausdurchsuchungen hätten bereits stattgefunden und umfangreiches Beweismaterial wäre sichergestellt. Auslöser dieser Aktion wäre ein Internetprovider gewesen, der aufgrund eines enormen Datenvolumens die Polizei eingeschaltet hätte. Soweit die Nachrichten, die ich am 25.12. mehrfach auf der Fahrt hörte.

Meine erste Reaktion: Meine Güte, das kann nicht wahr sein. Dann kam der 2. Gedanke langsam hoch, der in etwa folgenden Inhalt hatte: Ein Internetprovider stellt fest, dass eine Seite enorm viel Traffic erzeugt und benachrichtigt DESHALB die Polizei? Das klingt ja fast wie: Ein Telekommunikationsanbieter stellt fest, dass von einem Anschluss aus besonders viel telefoniert wird und benachrichtigt deshalb die Polizei.
Eher hat da jemand beim Provider geschnüffelt, was denn da so abgeht und hat anschließend die Polizei benachrichtigt. Was ja eigentlich nicht zulässig ist, aber im Rahmen des Kampfes gegen …etc.

Natürlich hat mich diese Nachricht weiterhin beschäftigt, auch weil ich sie von da an jede halbe Stunde zu hören bekam. Und mit jedem Mal kam mir die ganze Angelegenheit unrealistischer vor, mehr und mehr erinnerte mich die Sache an „Mikado“. Damals wurden die Transaktionen von 22 Mio. Kreditkartenbesitzern überprüft, um Personen zu finden, die möglicherweise den Zugriff auf eine WebSite mit kinderpornographischem Material erkauft haben. In etwa 380 „Verdächtige“ wurden auf diese Weise produziert, wie vielen von diesen „Verdächtigen“ tatsächlich strafbare Handlungen nachgewiesen wurden, ist meines Wissens nie bekannt geworden. Und vor diesem Hintergrund (sowie aufgrund meiner Erfahrungen zum Thema „Internet“ allgemein) erschien mir die Zahl von 12.000 Verdächtigen, gegen die ermittelt würde, als vollkommen utopisch und unrealistisch.

Und es kam, wie es kommen musste: kurz darauf änderten sich die Nachrichten ein wenig. Plötzlich wurden aus den 12.000 Verdächtigen „einige hundert“, zudem wurde geäußert, dass die meisten Zugriffe nur einmalig bzw. „wenige Sekunden lang“ waren und man in dieser Zeit unmöglich Bilder hätte herunter laden können. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die meisten Besucher eher zufällig auf die Seite gelangt wären und diese sofort wieder verlassen hätten. Und somit die Verfahren gegen diese Personen eingestellt würden. Die sensationelle Meldung entpuppt sich also wieder als Marketingmaßnahme der Ermittlungsbehörden die damit unter Beweis stellen wollen, wie toll sie doch den Kampf gegen derartige Machenschaften führen. Letztlich zeigt man auf diese Weise jedoch wieder einmal, mit wie wenig Kompetenz man dabei zu Werke geht.

Prinzipiell: Es ist sicherlich richtig und wichtig, in solchen Fällen zu ermitteln und Täter zu bestrafen. Aber statt das Unkraut heraus zu rupfen, brennt man ohne Rücksicht auf Verluste ganze Felder nieder und rühmt sich anschließend damit, eine erfolgreiche Aktion durchgeführt zu haben. Den missbrauchten Kindern hat man so jedoch nicht geholfen, die eigentlichen Täter werden schon aufgrund der Ermittlungsmethoden wie so oft nicht ermittelt, stattdessen produziert man Kollateralschäden ungeahnten Ausmaßes. Zwei solche Beispiele erwähnt aktuell Udo Vetter auf seinem Blog: Vom „Himmel“ in die Hölle und Sandra-model2.mpeg. Diese beiden Fälle zeigen deutlich, mit welchen Methoden die Ermittlungsbehörden Verdachtsmomente konstruieren, die sich letzten Endes vielfach als vollkommen unsinnig bzw. unhaltbar herausstellen. Aber zunächst in einer Pressemitteilung fantastisch klingen. Die in den beiden Fällen betroffenen Personen sind allerdings für lange Zeit stigmatisiert und zumindest Job und Familie los. Toll!

Die wirklichen Täter werden mit solchen Ermittlungsmethoden niemals dingfest gemacht, allenfalls wird es mit sehr sehr viel Glück Zufallstreffer geben, der Rest ist gewarnt. Den missbrauchten Kindern hat niemand geholfen, einzig und allein die Statistik am Jahresende sieht richtig geil aus. Wie viele Kinder allerdings aufgrund derartiger Ermittlungsmethoden in Zukunft ohne ihre Väter aufwachsen werden, das steht in keiner Statistik.

Allerdings kann man sich nun aufgrund dieser Meldungen recht einfach hochrechnen, wann man selbst aufgrund eines möglichen Fehlklicks ins Visier der Ermittler gerät. Dank Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel.

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