Das Netz ist ja sooooo grausam!

Nach dem Amoklauf in Lörrach jammert der Stern vor sich hin und bemängelt die fehlende Anteilnahme und Trauer im Netz. Rücksichtslosigkeit gegenüber den Opfern wird „dem Netz“ zum Vorwurf gemacht. Spott und Hohn sei das Einzige, was man dieser Tage im Netz zu Lörrach finden könne.

Im Artikel selbst wird aus dem „Netz“ zunächst „das Web“ und anschließend Twitter. Gut, damit wäre der Schuldige ja gefunden: Twitter, der Schlingel. Hat immer nur Spott und Hohn übrig, kein Respekt vor Opfern.

Doch wem genau gilt eigentlich der Spott? Der Täterin? Den Opfern? Fehlanzeige! Der Spott richtet sich (wie im Artikel durchaus auch korrekt bemerkt wurde) in erster Linie gegen den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, aber auch gegen die Politik im Allgemeinen. Denn jeder erinnert nur zu gut an die Beißreflexe „unserer“ Politiker nach Amokläufen wie in Winnenden oder Emsdetten. Schuldige wurden sehr schnell ausgemacht, die Killerspiele waren es. Immer. Ausnahmslos. Oder auch mal Paintball, was nach den Worten von Wolfgang Bosbach verboten gehört. Weil es „die Lust am Töten simuliert“.

Aufmerksamen Beobachter ist allerdings etwas ganz anderes aufgefallen: die Amokläufer nutzten richtige Waffen. Keine Paintball-Guns oder Pixel-Gewehre. Scharfe Waffen. Mit richtiger Munition. Die sie oder ihre Angehörigen besitzen durften, da sie Mitglieder in Schützenvereinen waren. Was immer wieder Grund für Kritik aus der Bevölkerung war. Hier wurde oft zu Recht gefragt: Warum sollen Privatpersonen scharfe Waffen besitzen dürfen?

Wer nun meint, dieses Thema würde von der Politik nun tatsächlich einmal aufgegriffen, da man ja gerade in der Zeit der Aufbereitung nach einem Amoklauf schnell mit Forderungen nach Verboten zur Stelle ist, der irrt. Bosbach selbst lehnt ein Waffenverbot ab. Denn „Ein Verbot des privaten Schusswaffenbesitzes würde die innere Sicherheit nicht erhöhen, sondern völlig neue Gefahrenquellen schaffen.“ Ja, genau der Bosbach der meint, Paintball gehöre verboten, weil es zu Amokläufen beiträgt.

Und da wundert sich der Stern tatsächlich über Spott?

Den Spöttern Respektlosigkeit gegenüber den Opfern vor zu halten ist zudem erbärmlich und dient nur einem Zweck: Die berechtigte, in Spott verpackte, Kritik ins Leere laufen zu lassen.

Nachtrag: Die Heuchelei ist nicht mal ganz so neu, wie man vielleicht glauben mag. Siehe hier.

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Killerspiele – Anleitung zum Mord?

Ich war doch recht neugierig, nachdem ich auf yigg den Link zum Video „Killerspiele – Anleitung zum Mord?“ gefunden habe. Es handelt sich hierbei um einen Beitrag aus einer „Welt der Wunder“-Sendung. Ich war neugierig zu sehen, wie andere Redaktionen über dieses Thema berichten.

Und ich war positiv überrascht, das muss ich einfach so festhalten. Der Beitrag ist sehr sachlich, beschäftigt sich weitaus tiefer mit dem Thema, als die unsägliche Panorama-Propaganda. Natürlich wird auch dieser Beitrag genutzt um ein klein wenig mehr Werbung in der Sendezeit unterzubringen, aber alles in allem sind die Aussagen um ein vielfaches fundierter als das, was ich bisher zu diesem Thema lesen und sehen musste. Und, das ist für mich persönlich sehr entscheidend, der Beitrag schneidet zusammenfassend die tatsächlichen Hintergründe der Taten von unter anderem Erfurt und Emsdetten an. Auch wenn es im Rahmen eines solchen Beitrages sicherlich nicht möglich ist, alle Facetten dieser Hintergründe im Detail zu beleuchten.

Zudem werden zum Thema „Killerspiele“ auch einmal echte Wissenschaftler mit ihren Forschungsergebnissen präsentiert und nicht, wie meist in solchen Fällen, irgendwelche Pseudo-Psychologen mit Profilierungsneurosen.

Mein Fazit: Absolut sehenswerter Beitrag. Weil endlich einmal vernünftig recherchiert und frei von Sensationslust. Danke!

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Perverse Fantasie eines Killerspiel-Experten?

CDU-Politiker Uwe Schünemann, Innenminister in Niedersachsen, wurde vom Stern zum Thema „Verbot von Killerspielen“ interviewt. In der Öffentlichkeit präsentiert er sich als leidenschaftlicher Verfechter eines umfassenden Verbots von Killerspielen und outet sich ganz nebenbei als vollkommen ahnungslos. Auf die Frage, warum „Killerspiele“ verboten werden sollen, während in den Kinos Filme wie James Bond gezeigt werden, in denen reihenweise Menschen getötet werden, antwortet er:

„Offenbar haben Sie sich noch kein „Killerspiel“ angeschaut, sonst würden Sie nicht eine solch naive Gleichstellung mit einem James Bond herstellen. Das ist eine ganz andere Qualität. Bei den „Killerspielen“ geht es darum, dass die Spieler selbst zum Töten animiert werden. Sie müssen auf einen Knopf drücken. Dadurch wird etwa ein Arm mit einer Kettensäge abgetrennt. Diese Handlung wird zudem positiv bewertet, wenn man sein Opfer zuvor quält. Fürs Arm-Abtrennen gibt es 100 Punkte, fürs Kopf-Abtrennen 1000 Punkte. Das ist pervers und gehört sofort verboten.“

Ich habe keine Ahnung, wessen perverse Fantasien er hier beschreibt, aber mir ist NICHT EIN Spiel bekannt, welches auf dem deutschen Markt erhältlich ist und derartige Spielinhalte bietet. Und zudem noch ab 16 freigegeben wäre, wie es der „Experte“ auf dem Gebiet der „Killerspiele“ beschreibt. Er beantwortet die Frage danach, ob er selbst schon gespielt habe mit dem Hinweis, dass er gerade eben „eindrucksvoll“ geschildert habe, weshalb er sich für ein Verbot dieser Spiele einsetze und erst ein erneutes Nachfragen entlockt ihm die Antwort:

„Ich habe nicht gespielt, sondern ich habe mir diese Szenen aus mehreren Spielen zeigen lassen. Man muss sich klar machen, welche Form der Brutalität auf dem letzten Level eines solchen Spiels erwartet wird. Das ist auch das Problem der Selbstkontrollstelle der Softwareindustrie, der USK: die Prüfer gehen oft eben nicht ins Detail und sehen sich das letzte Level, in dem möglicherweise die brutalsten Szenen umgesetzt werden, nicht an.“

Ahja. Er hat also NICHT gespielt sondern sich diese Szenen zeigen lassen. In welchem Spielen? Wie heißen die Spiele, in denen derartige Spielelemente enthalten sind? Sind diese Spiele in dieser Form auf dem deutschen Markt erhältlich? Mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass dem nicht so ist! Mag sein, dass es derartige Spiele irgendwo auf dem grauen Markt gibt, oder man sich derartiges Zeug vielleicht irgendwo herunterladen kann. Möchte ich nicht bestreiten, auch wenn mir solcher Kram nicht bekannt ist. Aber damit die USK in Frage zu stellen, die seit Jahren hervorragend funktioniert, ist in meinen Augen Schwachsinn hoch 3. Sollte es derartige Spiele geben, dann sind sie ganz sicher nicht über den Tisch der USK gegangen und dort auch ganz sicher nicht ab 16 freigegeben worden.

Aber selbst WENN es derartige Spiele gäbe rechtfertigt dies nicht, Computerspieler zu kriminalisieren. Auch wenn er in diesem Interview eine pauschale Kriminalisierung verneint, unterstützt er die Idee, per Hausdurchsuchung Spieler von „Killerspielen“ dingfest zu machen. Das ist also keine Kriminalisierung, so so…

Der Fall Emsdetten war sehr tragisch, keine Frage. Aber die Forderungen und Diskussionen, die daraus (wieder einmal) entstanden sind, schießen jedoch wie gewohnt weit am Ziel vorbei oder richtiger: lenken von den WIRKLICHEN Problemen ab. Die Ursachen waren ganz andere, ganz sicher jedoch nicht Computerspiele. Pervers sind nicht die Spiele, pervers ist es in meinen Augen, ein solches Thema in dieser Form auszuschlachten, um die eigene Profilierungssucht zu befriedigen und dabei die tatsächlichen Begebenheiten und Ursachen zu unterschlagen und hinter Polemik zu verbergen.

Natürlich würde man wohl bei nahezu jedem Jugendlichen, der eine derartige Tat begehen würde, irgendein Spiel a la Counterstrike oder was weiß ich finden. Weil nahezu jeder Jugendliche das eine oder andere Spiel dieser Art gespielt hat oder spielt. Aber deshalb die Computerspiele als Ursache für Gewalt darzustellen ist absoluter Unfug. Gewalt gab es bereits, bevor es derartige Spiele gab, bevor es Computer gab. Und da sogar in weitaus größerem Ausmaß. Und nahezu IMMER sind oder waren als Ursache das soziale Umfeld oder gesellschaftliche Missstände auszumachen. Würde man diese scheinbare Logik in Bezug auf „Killerspiele“ einmal konsequent zu Ende fantasieren, müsste man Schulen verbieten. Denn jeder Amoklauf Jugendlicher fand bislang in einer Schule statt. Schlussfolgerung: Schulen sind pervers.

Oder?

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Zensur als Folge von Emsdetten?

Die Ermittlungen in Emsdetten sind noch lange nicht abgeschlossen und schon zieht die Diskussion um ein Verbot von „Killerspielen“ immer weitere Kreise. Inzwischen prescht auch der Stammel-Bayer nach vorn und behauptet: „Killerspiele animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten.“ Hallo, gehts noch???

Das Märchen, ResistantX aka Sebastian B. hätte seine Schule als Map für Counterstrike nachgebaut, wurde bereits widerlegt. Nirgends ist bislang eindeutig bewiesen, Sebastian B. wäre ein fanatischer Computerspieler gewesen, auch wenn die Medien nicht müde werden, dies zu behaupten. Deutlich erkennbar ist jedoch, dass er ein Waffennarr war – und Paintball-Fan. Was also treibt die üblichen Verdächtigen an, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen? Profilierungssucht? Inkompetenz? In welchem Spiel soll beispielsweise das Töten von Kindern möglich sein, wie behauptet wird?

Die neuerlichen Diskussionen um „Killerspiele“ schießen mal wieder vollkommen am Ziel vorbei. Die wirklichen Ursachen für die Tat von Emsdetten werden von den Schreihälsen in Politik und Medien außen vor gelassen, auf die Verantwortung von Eltern und Lehrern geht kaum jemand ein. Die Hilferufe und Ankündigungen von Sebastian B. sind ungehört verhallt und werden nun nach seiner schrecklichen Tat im Eiltempo aus den Foren und von seinen Webseiten entfernt. Statt mit einer sinn- und verantwortungsvollen Aufarbeitung zu beginnen, werden lauthals Verbote diskutiert und wird mit Aussagen wie „eine Regelung zur Zugriffsbeschränkung für Internetseiten mit entsprechenden Inhalten zu erlassen“ nur zu offensichtlich eine Zensur des Internets gefordert.

Und leider war mir genau diese Entwicklung bereits klar, als ich zum ersten Mal von dem Amoklauf in Emsdetten hörte.

Einen m.E. sehr wertvollen Artikel zu diesem Thema habe ich übrigens eben bei 24stunden gefunden. Lesebefehl!

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