Bei manchen Meldungen, die man zu lesen bekommt, fällt mir so hin und wieder die Kinnlade auf den Tisch und ich beginne zu überlegen, wo ich schnell so viel zu futtern organisieren kann, wie ich kotzen möchte.
Eine solche Meldung ist „Musikindustrie soll Zugriff auf Kommunikationsdaten erhalten“ bei (unter anderem) Golem. Es wird berichtet, dass am kommenden Freitag über den Entwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ im Bundestag abgestimmt werden soll. In diesem Entwurf heist es unter anderem:
„In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß 1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte, 2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, 3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder 4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war, es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.“
Dieses Gesetz würde also, wenn es so beschlossen wird, der Contentindustrie Zugriff auf die durch Provider im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung zu speichernden Verkehrsdaten gewähren. Direkten Zugriff, ohne Umweg über Strafanzeigen und Staatsanwälte!
Angesichts dieses Vorhabens frage ich mich im Augenblick, wie ignorant man eigentlich sein kann. Es ist noch nicht mal einen Monat her, dass das Bundesverfassungsgericht folgendes in einem Eilverfahren angeordnet hat:
„Anbieter von „Telekommunikationsdiensten haben die verlangten Daten zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat […] ist“
Zu früh „gefreut„?
Sicher, noch ist das Gesetz nicht durch gewunken. Noch nicht… Aber ich frage mich (neben der Sorge, dass wieder einmal von allen Seiten nur genickt wird), wie man einen solchen Gesetzesentwurf zur Abstimmung bringen kann, wenn er eindeutig und selbst für Laien auf den ersten Blick erkennbar einer mehr als eindeutigen Regelung widerspricht?! Sind unsere Politiker dümmer als wir? Oder einfach nur ein mächtiges Stück ignoranter?
Der Arbeitskreis Voratsdatenspeicherung liegt in meinen Augen richtig damit, wenn sie den Rücktritt von Bundesjustizministerin Zypries fordern. Ich diese Forderung zunächst etwas albern, bin mir nun aber sicher, dass dieser Rücktritt nur der allererste kleine Schritt in die richtige Richtung wäre.
Update: Der Rechtsausschuß des Bundestages hat das ganze gestern bereits abgenickt und durchgewunken! Es fällt mir schwer, angesichts dieser Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz noch ruhig zu bleiben. Da gibt es nun eine Anordnung, wie mit den im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erfassten Daten umzugehen ist und bei der Zuordnung von IP- zu Wohnadressen sollen nun Unternehmen bzw. deren Anwälte relativ einfach an exakt diese Informationen gelangen können?
Für mich stellt sich ja im Augenblick vor allem eine Frage: Wenn die Provider laut aktueller Gesetzeslage die Verbindungsdaten nur für Abrechnungszwecke speichern dürfen, dies bei den vorherrschenden Flatrates jedoch nicht mehr notwendig ist (was inzwischen auch gerichtlich bestätigt wurde), woher kommen dann diese Daten? An welcher Stelle speichert ein Provider noch, wer wann welche IP-Adresse zugewiesen bekam? Richtig!