Archiv für kranke welt

Mein Beitrag zur Diskussion um Klarnamenpflicht

Die Diskussion um die Verwendung von echten Namen und Pseudonymen ist so alt wie das Internet. Mindestens. Ich habe diese Diskussion im FidoNet erlebt, später im Usenet, auf diversen Plattformen und aktuell wird sie wieder einmal verschärft bei und im Zusammenhang mit Google+ geführt. Ausgelöst unter anderem aufgrund von Fällen wie meinem oder diesem hier. Neben vielen anderen.

Die Dauer der Diskussion hat aber nicht im Mindesten dazu geführt, dass sich Fronten verschoben oder möglicherweise aufgeweicht haben (von aufgelöst will ich mal überhaupt nicht sprechen). Im Gegenteil führt jede neue Runde dieser Diskussion zu mehr Verhärtung der Fronten, es ist nicht mal ansatzweise in Sicht, dass sich daran mal etwas ändern würde. Die Fronten sind derart verhärtet, dass Befürworter der Klarnamenpflicht sogar offen damit prahlen, offensichtliche Pseudonyme „anzuschwärzen“.

Ich persönlich trete online meist mit meinem Pseudonym auf. Hier und bei Twitter und auch anderswo. An anderen Stellen nutze ich genau so selbstverständlich meinen richtigen Namen, wenn ich das für erforderlich erachte. Ich zähle mich selbst nicht zu den Menschen, die streng an ihrem Pseudonym festhalten, habe diese „Identität“ aber im Laufe von 10-12 Jahren inzwischen sozusagen lieb gewonnen und, das ist für mich wesentlich relevanter, es kennen mich doch eine Menge Leute in erster Linie unter diesem Pseudonym. Sie können mit meinem richtigen Namen wenig anfangen und sie sind meist auch gar nicht so sehr interessiert daran. Geht für mich vollkommen in Ordnung.

Obwohl ich selbst meinen richtigen Namen und mein Pseudonym gar nicht so strikt trenne, bin ich dennoch ein Befürworter der Möglichkeit, pseudonym auftreten zu dürfen, wo immer man es möchte. Ich sehe es als ein grundlegendes Recht jedes Einzelnen an, frei entscheiden zu dürfen, wie man online auftreten möchte. Ob man seine Identität jedem preis geben mag oder eben nicht. Natürlich ist es immer auch eine Frage, wo man sich aufhält und welchem Zweck die Mitgliedschaft in einem beliebigen Netzwerk dient. Es macht wenig Sinn, sich bei Xing oder Stay Friends unter einem Pseudonym zu bewegen, wenn man dort Kontakte knüpfen will. Sei es mit potentiellen Kunden, Dienstleistern oder Mitarbeitern. Oder einfach alte Schulfreunde wieder finden will.

Ein Social Network wie Google+ dient jedoch ganz anderen Zwecken. Es dient nicht vordergründig der Anbahnung von Geschäften (auch wenn es Menschen gibt, die in jedem neuen Netzwerk sofort ihre große Chance zum Geldverdienen sehen und selbst den Gedanken, Premium-Circle Zugänge zu verkaufen, außerordentlich toll finden), es dient vordergründig dem Austausch von Gedanken, Ideen, Informationen, Bildern oder anderen Dingen. Es dient dem Knüpfen sozialer Kontakte, wie immer diese auch aussehen mögen. Und hier sollte jedem selbst überlassen werden, wie und mit wem er das tun möchte. Unabhängig vom Namen zum Beispiel.

Es gibt also eine nicht gerade kleine Gruppe von Personen die auf dem Standpunkt stehen: nur echte Namen dürfen erlaubt sein. Liest man ihre Anmerkungen und Kommentare oder beteiligt sich gar an der Diskussion wie ich es in den vergangenen Tagen getan habe, dann wird man schnell erkennen, dass keiner dieser Realnamen-Befürworter auch nur ein einziges stichhaltiges Argument abliefern kann, WESHALB eine Klarnamenpflicht so viel besser sein soll. Der Grund dafür ist, dass es tatsächlich auch keine stichhaltigen Argumente dafür gibt.

Statt wirklicher Argumente liest man von den Befürwortern der Klarnamenpflicht entweder nur sehr abfällige Bemerkungen, die den „Gegner“ einfach nur der Lächerlichkeit preisgeben sollen, oder aber immer nur persönliche Empfindungen. „Ich bin sowieso gegen Anonymität im Netz“, „Wenn es Dir nicht passt, dann musst Du es ja nicht nutzen“ oder auch „Ich will wissen, mit wem ich mich unterhalte“. Das sind Empfindungen oder Willensäußerungen, aber keine Gründe. Es spricht für ein einzelnes Individuum erst einmal nichts dafür, eine Klarnamenpflicht grundsätzlich zu befürworten, im Gegenteil zeigen viele viele Ereignisse der letzten Jahre, dass eigentlich alles GEGEN die Verwendung von Klarnamen im Netz spricht. Seien es Probleme im Job, politische Verfolgung, Diskriminierung aufgrund anderer Meinungen oder Krankheiten oder sexueller Neigungen. Interessanterweise gibt es ganz andere Gruppierungen, denen etwas daran liegt, jeden einzelnen zu jeder Zeit deutlich im Netz identifizieren zu können. Unser Gesetzgeber hat das erkannt und entsprechende Regelungen im Telemediengesetz eingebracht, die Anbietern eine anonyme oder pseudonyme Nutzungsmöglichkeit ihrer Dienste zwingend auferlegen. Und das ist nicht nur hierzulande so, auch in den USA gibt es vergleichbare Regelungen.

Jetzt wäre es natürlich ein Leichtes, an dieser Stelle die Diskussion zu beenden, auf die Gesetze zu verweisen und damit dann einfach Recht zu haben. Dann würde ich mich aber auch nicht anders verhalten als die Befürworter der Klarnamenpflicht, die ihre Diskussionsbeiträge gern in „Basta!“-Manier verfassen und damit die Diskussion dann gern als beendet erklären. Inklusive „Du must den Dienst ja nicht nutzen“ oder „Geh doch, wenn es Dir nicht passt“ oder, noch viel besser, mit „Es ist Googles Hausrecht, das so und so zu tun und deshalb hab ich ja sowieso Recht“. Und sich selbst nicht zu schade dafür sind, die Floskel „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“ ausgiebig zu nutzen, was mich persönlich fast noch am meisten erschüttert. Nun, unabhängig von der Tatsache, dass das Hausrecht sicherlich nicht höher anzusetzen ist als Gesetze, finde ich es wichtig, dass diese Diskussion gerade jetzt geführt wird, wo Google mit seinem Social Network noch in der Anfangsphase steckt. Es ist auch wichtig, Google an seine eigenen Nutzungsbedingungen zu erinnern in denen steht „Die Nutzung der Dienste ist auch unter einem Pseudonym möglich.“

Es ist ebenso wichtig, Verfechter des „Nur echte Namen dürfen ins Netz“-Irrglaubens danach zu fragen, was exakt die Gründe dafür sind, dass Pseudonyme verwerflich sind. Wo genau ihr Problem liegt, wenn jemand anderes eben nicht wie sie selbst mit seinem Vor- und Zunamen im Netz auftauchen möchte. Nur leider, wie ich oben schon schrieb, erfährt man keine wirklichen Gründe. Ich habe in den Diskussionen Aussagen erlebt wie „Ich möchte wissen, mit wem ich rede.“ oder „Ich kann niemanden ernst nehmen, der sich hinter einem Pseudonym verstecken muss.“. Also wieder Befindlichkeiten. Und gerade die zuletzt genannte Aussage erinnert mich extrem an die weit verbreitete Einstellung „Wenn ein Berater nicht im Anzug auftritt, dann kann er ja nichts taugen.“… (nebenbei bemerkt: die größten Nieten oder Betrüger treten bevorzugt in möglichst teuren Anzügen auf…)

Nun, aber genau das ist ja das schöne an Social Networks: Wie im wahren Leben ist niemand gezwungen sich mit Personen zu unterhalten, die einem überhaupt nicht zusagen. Gerade Google+ macht es hier jedem sehr einfach, sich derartiger Individuen zu entledigen. Man kann sie ignorieren, blocken, aus seinen Kreisen ausschliesen, sie an die Social Network-Regierung verpetzen. Geht alles. Auch wenn ich es traurig (ich wollte jetzt nicht so gern „erbärmlich“ hinschreiben) finde, wenn jemand den Wert des Inhalts einer Aussage daran bemisst, wie die Person heißt oder sich nennt (oder aussieht). Ich persönlich achte bei einer Diskussion oder einem Gespräch nicht einmal im Ansatz darauf, unter welcher Bezeichnung jemand mir gegenüber auftritt, ich bin an der Aussage interessiert. Finde ich sie gehaltvoll oder interessant, macht das auch die Person für mich interessant. Beinhalten die vielen Worte nur leere Phrasen oder vollständigen Müll, interessiert mich der Rest auch nicht groß. Ich kann mich also sehr gut mit Menschen unterhalten, deren Namen ich nicht kenne. Und der mir in diesem Moment auch überhaupt nicht wichtig ist. Unterhalte ich mich öfter mit dieser Person, frage ich eventuell mal nach und gebe mich mit der Information zufrieden, die diese Person mir zu geben bereit ist. Das hat nicht das Mindeste mit Oberflächlichkeit zu tun, sondern in allererster Linie sehr viel mit Toleranz.

Genau die Toleranz ist es, die den meisten Befürwortern der Klarnamenpflicht leider vollkommen abgeht. Sie können oder wollen es nicht tolerieren, dass andere ihre Meinung nicht so öffentlich mit ihrem richtigen Namen in Verbindung gebracht wissen wollen oder können. Genau genommen schadet es keinem, wenn Hans Peter Pusemuckel als „Hapepu“ online seine Meinung kund tut. Es könnte aber sein, dass Hapepu tatsächlich aufgrund von Insiderwissen sehr wertvolle Beiträge zu einer Diskussion beisteuern kann, die ihm vielleicht im wahren Leben zum Nachteil gereichen würden, würde er sie als Hans Peter Pusemuckel schreiben. Warum ist das nicht tolerierbar?

In einer Diskussion wurde mir sogar entgegen geworfen: Ihr Pseudonymverfechter seid ja diejenigen, die keine Toleranz kennen! Ist das so? Tolerieren wir nicht, dass Ihr viel lieber unter Eurem echten Namen auftreten möchtet? Wollen wir Euch zwingen, Pseudonyme zu verwenden? Verlangen wir von Euch eine Plattform zu verlassen, wenn Ihr kein Pseudonym verwenden wollt? Akzeptieren wir nicht, dass Ihr auf Pseudonymnutzer nicht eingehen oder Euch nicht mit ihnen unterhalten möchtet? Nichts dergleichen!

Wir erwarten ja auch gar nicht, dass Ihr uns dabei unterstützt, die anonyme oder pseudonyme Nutzung von Diensten wie Google+ zu ermöglichen. Das einzige, worum wir Pseudonymbefürworter und -nutzer Euch bitten ist: Fallt uns doch nicht auch noch in den Rücken! Und lernt bitte endlich Toleranz.

Update: Mit weniger Worten auf den Punkt bringt es der Beitrag von Jana Herwig, den ich heute Morgen gelesen habe. Einen weiteren hervorragenden Artikel zur Diskussion gibt es auch von Markus Breuer.

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Bild des Tages

Ich habe bislang noch nichts zur Copy-Paste-Affäre des Herrn Guttenberg geschrieben, aber natürlich die diversen Berichte verfolgt. Das aktuelle Diagramm des GuttenPlag Wiki ist heute aber mal mein Bild des Tags.

Auf bislang 68,70% aller Seiten wurden also inzwischen verdächtige Textstellen gefunden, die offenbar ziemlich deutlich von anderen Personen verfasst und bestenfalls minimal umformuliert wurden, aber nicht deutlich genug (wenn überhaupt) als Zitate gekennzeichnet wurden. Mal ganz davon abgesehen, dass Zitate natürlich als solche erkennbar und mit exakten Quellenangaben verwendet werden sollten frage ich mich, welchen Wert eine Doktorarbeit haben kann, die zu einem Großteil aus Zitaten besteht. Es handelt sich bei den Fundstellen ja nicht um alle Zitate, sondern lediglich um die, die nicht klar erkennbar als solche gekennzeichnet wurden. Ich gehe davon aus, dass mindestens genau so viele Zitate enthalten sind, die wie vorgeschrieben genutzt wurden.

Nun, ich habe noch nie eine Doktorarbeit verfasst und auch keine Idee, was „üblich“ oder „angemessen“ ist. Ich nehme allerdings an, dass der wissenschaftliche Wert einer Zusammenfassung von Zitaten eigentlich eher geringfügig ist (auch wenn mir der Text gänzlich unbekannt ist und ich nur verschiedene Zitate kenne, die aufgrund des Plagiatvorwurfs bekannt sind). Da ich aber die Arbeit nie gelesen habe und das auch nicht nachholen möchte, belasse ich es mal bei diesen Aussagen und beobachte die Entwicklung. Sollte das alles durchgehen, zitiere ich mir demnächst vielleicht auch einen Doktortitel zusammen. Dr. zit. oder sowas. 😉

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Softwareindustrie reagiert auf Stephanie zu Guttenbergs Forderung nach dem Notfallknopf

Nach Stephanie zu Guttenbergs auf der DLD-Konferenz erneut vorgetragener Forderung nach einem Notfallknopf für das sofortige Verlassen eines Chats (heise berichtet) hat die Softwareindustrie nun endlich reagiert.

Microsoft implementierte den Notfallknopf beispielsweise in alle Versionen seines Betriebssystems „Windows“. Bei der Integration war man konsequent, der Notfallknopf erscheint in sämtlichen Anwendungen. Damit wolle man vermeiden, dass Anbieter von Chatclients dieses neue Feature ausblenden oder deaktivieren können heißt es aus Entwicklerkreisen.

Beim Design zeigte man sich sehr kreativ. Der Notfallknopf wurde in seiner Symbolik an zwei vor dem Körper gekreuzte Zeigefinger angelehnt, ein Zeichen, mit dem man beispielsweise bereits im Mittelalter böse Geister fern halten wollte. „Dieses Symbol ist in christlichen Ländern seit Jahrhunderten bekannt und ich erkannte sofort einen Bezug zu der Funktion dieses Features“, sagt der Designer. Der Notfallknopf befindet sich in jeder Anwendung an identischer Position: an der rechten oberen Ecke des jeweiligen Fensters. Darüber hinaus ist der er rot markiert und somit jederzeit schnell auffindbar.

Die Funktion dieses Notfallknopfes ist schnell erläutert: Klickt ein Anwender auf das Symbol, wird sofort das Programm geschlossen und beispielsweise ein Chat unmittelbar verlassen.
„Wir haben die Forderungen von Frau zu Guttenberg in vollem Umfang umgesetzt.“, so ein Microsoft-Sprecher.

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US-Recht für alle?

Interessante Meldung bei Golem: Ein paar durchgeknallte US-Senatoren wollen erreichen, dass das US-Justizministerium weltweit Webseiten abschalten darf.

Der Beschluss eines US-Gerichtes soll im Fall von Urheberrechtsverletzungen dann also genügen, um im Ausland Webseiten vom Netz zu nehmen. Weil ja jedes Land auf der Welt dann sofort ohne weiteres die Befehle der US-Gerichte ausführen wird, oder wie darf ich mir das vorstellen? Soll dann weltweit US-amerikanisches Recht gelten?

Im Gegenzug würde mich mal die Reaktion interessieren, wenn China die Abschaltung von in den USA gehosteten Webseiten fordern würde, weil sie nach den chinesischen Gesetzen verboten sind. Oder Deutschland lässt Facebook abschalten, weil es den deutschen Datenschutzbestimmungen nicht so ganz entspricht. Gilt dann chinesisches oder deutsches Recht automatisch auch dort?

Witzige Vorstellung irgendwie. Ein klein wenig daneben sind sie ja schon, die Amis.

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