Es geistert ja schon seit einigen Tagen die Meldung durchs Netz, dass die obersten Datenschutz-Aufsichtsbehörden einen Beschluss erlassen haben, nach dem Analysen der WebSite-Nutzung auf der Basis vollständiger IP-Adressen nur zulässig sind, sofern die Nutzer bewusst und eindeutig einwilligen, bevor die Daten erhoben werden. Dies wird damit begründet, dass IP-Adressen personenbezogene Daten sind.
Das ist, mit Verlaub, in dieser Form zunächst erst einmal vollkommener Schwachsinn.
IP-Adressen sind für den Betreiber einer WebSite oder eines Internet-Services NICHT personenbezogen. Der Betreiber eines solchen Dienstes kann die IP-Adresse eines Nutzers keiner Identität zuordnen. Die Möglichkeit ist praktisch nicht gegeben, es sei denn, der Nutzer hinterlässt während der Verwendung einer bestimmten IP-Adresse seine persönlichen Daten. Und selbst dann ist die Möglichkeit der Zuordnung in den meisten Fällen nur von kurzer Dauer, spätestens nach 24h werden die meisten Internetnutzer mit einer komplett neuen IP-Adresse unterwegs sein. Zudem ist eine Möglichkeit der Zuordnung auch dann nicht gegeben, wenn sich mehrere Benutzer einen Internetanschluss teilen (wie zum Beispiel in Universitäten, Internetcafes, Wohnheimen, Unternehmen etc.), da in diesem Fall all diese Nutzer mit identischer Adresse unterwegs sind. Selbst in vielen Haushalten ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, da sehr häufig mehr als eine Person den Internetanschluss nutzt. Selbst in der Rechtssprechung wurde diesem Umstand in der Vergangenheit wiederholt Rechnung getragen.
Allein die Möglichkeit, dass ich denn die Identität einer Person ermitteln könnte, wenn ich denn den dazu erforderlichen Rechtsweg beschreiten würde, macht aus einer IP-Adresse noch lange kein personenbezogenes Datum. Die Tatsache, dass irgendwo der 10.05.1970 gespeichert ist, macht dieses Datum auch noch nicht zu einem personenbezogenen Datum, auch wenn man anhand dieses Termins mit Hilfe einer anderen Datenbank nach Beschreiten des Rechtsweges meinen Geburtstag herausfinden kann. Zumindest nach meinem Verständnis.
Unsere obersten Datenschützer weisen in ihrem Beschluss vom 26.11.09 (pdf) auf folgende Bedingungen hin:
- Personenbezogene Daten eines Nutzers dürfen ohne Einwilligung nur erhoben und verwendet werden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen. Jede darüber hinausgehende Nutzung bedarf der Einwilligung der Betroffenen.
- Die Analyse des Nutzungsverhaltens unter Verwendung vollständiger IP-Adressen (einschließlich einer Geolokalisierung) ist aufgrund der Personenbeziehbarkeit dieser Daten daher nur mit bewusster, eindeutiger Einwilligung zulässig. Liegt eine solche Einwilligung nicht vor, ist die IP-Adresse vor jeglicher Auswertung so zu kürzen, dass eine Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen ist.
(…)
Diese Bedingungen werden aus meiner technisch begründeten Sichtweise erfüllt, speziell der erste Punkt. Für Betreiber einer WebSite oder eines Online-Dienstes ist die IP-Adresse eben kein personenbezogenes Datum, wie ich weiter oben schon erläutert habe. Insofern ist der 2. Punkt meiner Meinung nach schon genau aus diesem Grund obsolet. Meine Meinung ist hier sicherlich nicht zwingend rechtsgültig, ich betrachte dies, wie schon angesprochen, rein technisch. Dass Gesetze und Rechtsprechung von realen Situationen und Bedingungen durchaus abweichen, ist sicher jedem bekannt.
Vollkommen anders sieht der Sachverhalt bei reinen Zugangsanbietern aus. Für diese ist die IP-Adresse ein persönliches Datum, da sie die Adresse unmittelbar einem Anschlussinhaber zuordnen können (mit den oben beschriebenen Einschränkungen). Paradox ist hier nun in meinen Augen, dass genau Zugangsanbieter die Daten erheben und speichern müssen, obwohl sie es laut Datenschützern nach dem TMG nicht dürften. Klarheit und Rechtssicherheit ist etwas anderes.
Leider habe ich einen Link „verlegt“, der in meinen Augen durchaus recht deutlich eine gewisse Unsinnigkeit dieser Diskussion dokumentierte. Wenn ich ihn wiederfinde, reiche ich ihn nach. Sinngemäß stand dort auf der Seite, dass in den Lizenzbestimmungen zu Google Analytics zwar eine Verbindung von IP-Adressen mit anderen Daten ausgeschlossen wird, aber ebenso die Möglichkeit einer Änderung dieser Bestimmungen bestünde. (hier noch dokumentiert von der Zeit)
Dieses Argument ist für mich der größte Unfug überhaupt. Wollte man diesem Argument folgen, dann könnte man rechtliche Bedenken gegen Alles und Jeden anmelden, da die Klausel, dass Änderungen möglich sind, in sämtlichen AGB enthalten sind, die ich zu Gesicht bekommen habe.
Es gibt jede Menge weitere Argumente, die deutlich zeigen, wie unsinnig dieser Vorstoß gegen die Anbieter von Analysewerkzeugen ist. Ein Beispiel wären die häufig angesprochenen Logfiles, die jeder Webhoster anlegt. Laut Datenschützern ist die Speicherung der IP-Adressen in Logfiles nicht zulässig, laut verschiedenen Gerichtsurteilen ist der Hoster jedoch dazu verpflichtet. Was ist nun korrekt? Wer hat Recht?
Spinnt man das Thema zu Ende, wird bald Schluss sein mit dem Einbetten von Youtube-Videos oder Flickr-Fotos. Da drüben wird ja getrackt, das ist evil, haben wir ja gerade gelernt. Was sonst noch auf uns zukommen könnte, will ich mir mal gar nicht ausmalen.
Ich persönlich gewinne in letzter Zeit verstärkt den Eindruck, dass die Datenschützer gern solche Dinge heran ziehen, um eine gewisse Notwendigkeit ihrer Funktion an sich unter Beweis zu stellen (wobei ich die Notwendigkeit an sich ja nicht einmal in Frage stelle). Aber mich beschleicht immer mehr der Eindruck, dass mit solchem Gepolter wie aktuell rund um die Tracking-Dienste und speziell rund um Google Analytics nur davon abgelenkt werden soll, dass an anderen Stellen wie beispielsweise beim SWIFT-Abkommen Totalversagen an der Tagesordnung ist. Wären da auch nur ansatzweise die Bestimmungen angemahnt und durchgesetzt worden, die man einem Betreiber einer popeligen Internetseite auferlegen will, hätte Deutschland gegen das Abkommen stimmen müssen. Wir wissen, dass es nur zur Stimmenthaltung reichte…
Aber zurück zu den Trackingdiensten.
Ich werde natürlich keinesfalls irgendeine Empfehlung aussprechen, jeder Betreiber eines Online-Dienstes sollte da selbst entscheiden, wie er nun reagieren wird. Ich selbst weiß es im Augenblick auch nicht und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob hier einfach nur mal wieder sehr heiß gekocht und anschließend lauwarm gegessen wird. Die Diskussion an sich zeigt mir aber, wie realitätsfremd hier von Theoretikern argumentiert wird und wie widersprüchlich die deutsche Rechtslage wieder einmal ist. Und ich muss eingestehen, dass mir solche Diskussionen mehr und mehr auf den Zeiger gehen, weil wir damit wieder einmal der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Datenschutz ist sicherlich auch in meinem Interesse, keine Frage. Welche Stilblüten das allerdings inzwischen treibt, ist ganz sicher nicht mehr normal.